Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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tives Referendum für den Bundesstaat anwendbar und zuträglich sei, 
welche seiner verschiedenen Begränzungen für jeden Canton oder 
für alle am besten passe, ob die Initiative eine wünschenswerthe 
Ergänzung des Referendums sei oder nicht, ja selbst ob die Frauen 
oder die Falliten oder die Bevölkerung unter 20 Jahren mit- 
stimmen sollen oder nicht. Darüber gibt es ganz naturgemäss 
keine absolute Regel und braucht es auch keine zu geben, wenn 
der Staat souverän ist; ist es aber das Volk, so ist die schranken- 
lose Demokratie allein logisch und jede Eingränzung derselben 
eine Bevormundung des Souveräns, die er, einmal zum Selbst- 
bewusstsein erwacht, nothwendig als eine unberechtigte Schranke 
und Herabsetzung empfinden und demnach, gewissermaassen ehren- 
halber, zu entfernen trachten muss. 
Einem grossen Theil des zeitweise unwiderstehlichen Rufes 
nach „Vermehrung der Volksrechte“ liegt diese theoretisch rich- 
tige Auflehnung des Volksgeistes gegen eine Beschränkung durch 
Seinesgleichen zu Grunde. Es hat immer etwas Odioses, wenn 
einzelne Personen sich als souveräne Herren gegenüber anderen 
Menschen empfinden und geriren !*®). Ist es aber der Staat, dem 
wir Alle dienen, so sind wir Alle gleich, nur die Beschäftigungen 
sind nothwendig verschieden, wie die Begabungen dafür es sind. 
Damit ist die prinzipielle Bedeutung der „Volksrechte“ auf 
ihr richtiges Mass reduzirt. Eine einzige Bedingung dieser An- 
schauung fügen wir bei, die zu Gunsten dieser Rechte lautet. 
Dieselben müssen, soweit immer thunlich, eingeführt werden. 
Es liegt in der Natur der staatlichen Gemeinschaft, dass 
jeder Theilhaber derselben möglichst zu "elbstständigkeit und 
politischem Selbstbewusstsein erzogen, und dass die staatliche 
Macht nicht nur im Interesse Aller für Alle, sondern, soweit 
oder nicht. Jedermann sieht das als eine staatliche Organisationsfrage 
und als nichts weiter an. 
1286) Diese Anschauung von einer persönlichen Souveränität hat die 
aristokratischen Regierungen der Schweiz verhasst gemacht und gestürzt. Mit 
den „Beamten“ war man vielfach ganz zufrieden, aber die „Herren“ und 
„Excellenzen* wollte man nicht mehr. Das Volk ist jetzt aber mitunter ein 
ebenso unbequemer souveräner Herr, wo es diesen Titel ernsthaft im Wort- 
sinn zu nehmen beginnt.
	        
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