Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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Civilstand und Ehe, das die Civilehe allgemein einführte, oder die 
Eidgenössische Subvention der Gotthardbahn, die gegen zahlreiche 
und berechtigte Interessen grosser Laandestheile verstiess, nennen 
— würden gar nicht zur ruhigen Anerkennung gekommen sein, 
ohne die glücklicherweise in diesen beiden Fällen eingetre- 
tene Volksabstimmung. Nach derselben verstummte jede Oppo- 
sition, denn die Thatsache, dass die Mehrheit des Volkes diese 
Massregeln billige, war unbestreitbar geworden. 
Eine solche Erledigung der Sachen und Ruhe über einen 
gewissen Punct ist für einen Staat eine Wohlthat, selbst da, wo 
die Mehrheit nicht unzweifelhaft im Rechte sich befindet. In den 
meisten Fällen ist ja überhaupt in Sachen der Politik und Gesetz- 
gebung nicht einmal von einem ganz klaren und zweifellosen Recht 
und Unrecht zu sprechen und handelt es sich wesentlich darum, 
irgend einen, mit dem Willen des Volkes übereinstimmenden und 
erträglichen Zustand zu schaften, der eine gewisse Stätigkeit 
besitzt. Auch lässt es sich keineswegs erfahrungsgemäss behaupten, 
dass diese Mehrheitsentscheide des Volkes durchwegs weniger 
zweckmässig seien, als cliejenigen der repräsentativen Körper- 
schaften. Diess wird zwar von den Gegnern des Referendums 
meist stillschweigend vorausgesetzt, aber mit Unrecht. Es würde 
ihnen schwer sein zu beweisen, dass ın einem Jaande, in welchem 
diese Institution in guter und zweckmässiger Form längere Zeit 
unter einem dazu einigermaassen geschaffenen Volke bestand, sehr 
viele Missgriffe damit geschehen seien. Und noch viel weniger 
würde jemals der Beweis erbracht werden, dass in dem nämlichen 
Lande und unter gleichen Umständen eine Repräsentantenver- 
sammlung richtiger verfahren wäre !'?®). Die Fehler, die das Refe- 
120) Sogar absoluter gefasst wäre noch schr fraglich, ob z. B. die 
Regierungsweise von Graubünden, Glarus, Appenzell derjenigen der mehr 
repräsentativen Öantone nachstehe, oder jemals in wesentlichen Dingen nach- 
gestanden habe. Die vielsagenden Prüfungsnummern in Bezug auf die Volks- 
erziehung stehen in diesen altdemokratischen Cantonen nicht ungünstig, die 
Wehrmannschaft derselben ist vielleicht besser als manche andere, sie haben 
an einzelnen hervorragenden Männern nie Mangel gehabt, der Volkscharakter 
im Allgemeinen, der sich nicht von heute auf morgen bildet, steht keines- 
wegs hinter dem der anderen Cantone zurück. Nach welchen anderen Merk- 
nalen sollte man die Wirksamkeit staatlicher Iustitutionen beurtheilen? --
	        
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