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tretern der beiden einander widerstreitenden Anschauungen
keinerlei wesentliche Differenz in Ansehung der Feststellung des
Gresetzesbegriffes besteht, indem übereinstimmend angenommen wird,
dass das Gesetz Rechtssätze aufstellt, dass es in allgemein
verbindlicher Weise menschliche Lebensverhältnisse
regelt. Ein Kriterium des Gesetzes, das bei Lösung unserer
Controverse schwer in das Gewicht fällt, ist allerdings streitig,
allein nicht gerade zwischen den obgedachten Gegnern, sondern
zwischen einzelnen Vertretern der Theorie der formellen Gesetze.
Wir meinen das vielfach aufgestellte Erforderniss, das Gesetz
müsse nicht nur eine allgemein verbindliche Norm, sondern
auch eine allgemeine Norm, d. h. in einer nicht im Voraus
bestimmbaren Mehrheit von Fällen anwendbar sein, welches
G. MEYER (in Grünhut’s Zeitschr. 8. Bd. S. 21) dahin ausdrückt,
die Regel dürfe sich nicht bloss auf einen oder mehrere indivi-
duell bestimmte Thatbestände beziehen. Während v. MARTITZ
und seine Gesinnungsgenossen consequent dieses Kriterium ver-
werfen müssen, haben von ihren Gegnern nur einige (SCHULZE,
G. MEYER, SELIGMANN, GÖPPERT, STENGEL) an demselben fest-
gehalten, während Andere (LABAND, ÜULBRICH, STARZYNSKI) die
Allgemeinheit der Norm als für den Begriff des Gesetzes keineswegs
wesentlich erklären. Wäre das Merkmal zutreffend, so wäre der
herrschenden Lehre allerdings der Sieg sofort gesichert, doch ist
leider die Position nicht haltbar und wird aufgegeben werden müssen.
Wir können zwar gegen die von manchen Schriftstellern
beliebte Ausdehnung des Privilegiumsbegriffes, demzufolge jeder
Verwaltungsakt constitutiven Charakters als lex specialis anzu-
sehen wäre), nicht genug entschieden Verwahrung einlegen;
Göttinger Gel.-Anz. 1871, I, S. 361—382; vgl. auch Staats- und Bundesr.
3. Aufl., II, 8 224, S. 528) ist hieher zu zählen, denn obgleich derselbe prin-
cipiell zugiebt, dass die Feststellung des Budgets ein Verwaltungsakt sei,
durch welchen an dem bestehenden Rechte Nichts geändert werde, so verwirft
erdoch die sich aus dieser Ansicht mit Nothwendigkeit ergebenden Consequenzen.
5) Dies behauptet neuestens Tezxwer in Geller’s Centralblatt für Ver-
waltungspraxis II, (1886) S. 717 —727 im Gegensatze zu der von ihm selbst
im Eingange seines Aufsatzes aufgestellten Definition des Begriffes eines
Privilegiums im engeren Sinne. Man vgl. auch Prarr und Hormann’s Com-
mentar zum öst. allg. bürg. Gesetzb. ad $ 13. S. 308.