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also eine neue Last auferlegt wird (ein Beispiel hiezu liefert
Fall ©), unzweifelhaft ein Gesetz auch im materiellen Sinne des
Wortes, denn er enthält den Rechtssatz, dass die Staatsbürger,
bei welchen gewisse Voraussetzungen zutreffen, durch eine gewisse
Zeit (die Etatsperiode) dem Staate gegenüber zu einer Leistung
in bestimmter Höhe verpflichtet sind. Wird, wie dies in Oester-
reich üblich, im Finanzgesetze auch die Höhe der in der be-
treffenden Periode zu Gunsten des Staates einzuhebenden Zu-
schläge zu den bestehenden Steuern festgesetzt, so kann der
betreffenden Anordnung der Charakter einer Rechtsnorm gleich-
falls mit Grund nicht abgesprochen werden’). Seltener dürfte
der Fall vorkommen, dass anlässlich der Votirung von Ausgabs-
posten Rechtssätze aufgestellt werden. Doch ist auch die Mög-
lichkeit dessen nicht ausgeschlossen. Denken wir uns, dass im
Falle B in das Finanzgesetz die ausdrückliche Bestimmung auf-
genommen worden wäre, dass der in Gemässheit bestehender
Gesetze dem Orden der Carmeliterinnen zu Prag bisher geleistete
Beitrag im Jahre 1877 nicht zu leisten sei. Eine solche Be-
stimmung — deren Nichtvorhandensein die Gründe des Ver-
waltungsgerichtshofes ausdrücklich constatiren — müsste gleich-
falls als Statuirung eines Rechtssatzes, nämlich eines privilegium
odiosum zu Ungunsten des erwähnten Klosters angesehen werden.
Andererseits kann jedoch nicht geläugnet werden, dass Be-
stimmungen der eben gedachten Art in den Etatsgesetzen doch
nur ganz ausnahmsweise vorkommen?), dass im Wesen den Inhalt
dieses angeblichen Gesetzes nur die Gegenüberstellung der im
Grunde der bestehenden Einrichtungen in einer gewissen
Periode voraussichtlich zu erwartenden Einnahmen und der
zu leistenden Ausgaben bilde. Es ist gar nicht die Absicht der
bei Feststellung des Etats zusammenwirkenden Faktoren, einen
7) Zu weitgehend ist Fricker's (a. a. O. S. 668 und 676) Behauptung,
dass das Gesetz nur im allgemeinen die Steuerpflicht und den Repartitions-
modus, nicht aber die Höhe der Steuer festzusetzen habe.
8), Dies wird auch von Marrıtz (a. a. O. S. 269, Anm. 1) anerkannt.
Derselbe bezeichnet die Combination der Aufhebung, Abänderung oder Neu-
einführung gesetzlich bestehender Einrichtungen mit dem Etatsgesetze geradezu
als bedenklich. Vgl. auch FRrickeEr a. a. O., S. 646. SELIGMANN S. 85 not. 1.