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nur mit dieser Auffassung die gesetzliche Bestimmung zu verein-
baren, derzufolge die Anfechtung der Errichtung eines, unter
Zustimmung der gesetzgebenden Faktoren zu Stande gekommenen
Fideicommisses wegen nachheriger Geburt eines männlichen ehe-
lichen Erben des Stifters ($ 628 österr. bürg. G.-B.) gestattet
ist, wogegen die Möglichkeit der Ausserkraftsetzung eines wirk-
lichen Aktes der Gesetzgebung durch den Richter der juristischen
Construktion grosse Schwierigkeiten bereiten würde.
vn.
Den vorstehenden Erörterungen dürfte der Vorwurf nicht
erspart bleiben, dass sich die von uns aus dem Begriffe und dem
Wesen der formellen Gesetze gezogenen Konsequenzen nicht ver-
werthen lassen, weil wir einerseits eine Modifikation des bisherigen
Rechtes durch die formellen Gesetze perhorresziren, anderer-
seits jedoch zugeben, dass auch die Gesetze, die wir ihrem Wesen
nach als formelle bezeichnet haben, Rechtssätze enthalten können.
Bewegen wir uns da nicht in einem falschen Kreise, wird nicht eben
jedes formelle Gesetz, welches etwas von dem bisherigen Rechts-
zustande Abweichendes festsetzt, hiedurch eben zu einem Gesetze
im materiellen Sinne des Wortes? Das Gesetz verbinde — be-
haupten die Gegner — in gleicher Weise, mag sein Inhalt welcher
Art immer sein, und schlimm wäre es um die Rechtssicherheit
bestellt, wenn es im concreten Falle dem Richter anheimgestellt
wäre, zu untersuchen, ob einem gehörig kundgemachten Gesetze
diese Bezeichnung in materieller oder in formeller Hinsicht gebühre,
und welche Wirksamkeit demselben mit Rücksicht hierauf innewohne.
Es sei uns daher noch gestattet, diese Einwürfe in Kürze
zu widerlegen.
Es ist wohl nicht vollkommen richtig, dass das Gesetz ohne
Rücksicht auf seinen Inhalt verbinde, da ein unmöglicher Gesetzes-
inhalt nicht verbinden kann, doch mag die betreffende gegnerische
Behauptung als im Allgemeinen zutreffend immerhin zugegeben
werden. Was folgt hieraus? Uns handelt es sich ja eben
darum, den Gesetzesbegriff abzugrenzen, zu untersuchen, welche
der von den Organen der gesetzgebenden Gewalt ausgehenden
Verfügungen als allgemein verbindliche Normen zur Regelung