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Theil der Menschheit beschränkt, dieselbe vielmehr in ihrer Tota-
lität umfassen. Zu diesen Erscheinungen gehört das Mutterrecht.
Die Besorgniss KoHLErsS, bezüglich der Sammlung der ethno-
logischen Thatsachen herrsche periculum in mora ist also keines-
wegs widerlegt, bleibt vielmehr in voller Dringlichkeit aufrecht.
Wäre auch gar nichts anderes als festgestellt anzusehen, als das
von BACHOFEN benannte uralte Organisationsprincip der Mutter-
familie, so würde das allein, in seiner für das Leben der Mensch-
heit durchgreifenden, riesige Zeiträume ausfüllenden Grösse,
mitsammt allem, was damit unmittelbar verknüpft ist, hinreichen,
ein Fortarbeiten in der angedeuteten Richtung zu rechtfertigen.
Die Allgemeinheit des Mutterrechtes wird durch ein mächtiges,
täglich wachsendes Beweismaterial erwiesen. Man vergleiche dies-
bezüglich das in einer früheren Schrift in gedrängter Kürze
Zusammengestellte) und die seitdem erschienenen Arbeiten,
namentlich die vorzüglichen Abhandlungen WILKENs und W. Ro-
BERTSON SMITH nicht minder vortreffliches Werk: „Kinship and
marriage in early Arabia.“ (Cambridge 1885). Die Erkenntniss
des Mutterrechtes als Ausgangspunktes für das altgermanische
Familienrecht hat sich seit einigen Jahren in der germanistischen
Rechtswissenschaft Bahn gebrochen und zwar geht diese Annahme
von der durch die sociologische Rechtsforschung erweckten
Ueberzeugung aus, das Mutterrecht sei gesetzmässig allgemein
gewesen und eigne sich daher zur Erläuterung der sonst mehr-
fach räthselhaften altgermanischen Rechtsquellen. Auf verschiedene
Thatsachen von gleich grossem Gewichte hat KOHLER in seinen
zahlreichen, nach und nach alle bisher noch unerforschten Rechts-
gebiete in monographischer Weise umfassenden Schriften auf-
merksam gemacht. Tüchtige Gelehrte aller Nationen arbeiten
zusammen, um das Material zu dem zugleich so anziehenden und
so abstossenden Bild unserer Urzeit zu gewinnen.
Bevor wir auf die weitere Erörterung der strittigen Grund-
principien eingehen, wollen wir einen Augenblick bei einem
speciell gegen Post gerichteten Einwurf verweilen (STOERK a. a.
O. 564): „Dass auch Post... dem Einfluss der Ordnungs-
®) Daraun, Mutterrecht u. Raubehe. 1883. S. 1—20.