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nach Darstellung von Entwickelungen und dies implicirt die
Unterscheidung höherer und geringerer Culturen. Ich selbst habe
nicht bloss niemals eingestanden „dass ein Maassstab für die
culturelle Stufenfolge nicht gefunden werden könne“, sondern im
Gegentheil einen solchen Maassstab gesucht — und er möge gut
oder schlecht sein — wirklich aufgestellt, auch nach diesem
Maassstaab die Unterscheidung der Völker nach der Culturhöhe
vorgenommen. Zugleich wurden die Gründe entwickelt, wesshalb
ein absoluter Maassstab der Culturen nicht gefunden werden
“kann®). Der Hauptgrund hiefür liegt in der ungleichmässigen
Raschheit der Entwickelung der einzelnen Institutionen, wofür
a. a. O. genügende Belege beigebracht werden. Während z. B.
das eine Volk das System des Mutterrechts anwendet, und zugleich
die Stufe der Feldgemeinschaft erreicht hat, ist bei anderen
Völkern in der Periode der Feldgemeinschaft das Mutterrecht
nur mehr in Ueberresten erhalten®). Die hieraus erwachsende
Schwierigkeit ist offenkundig. „Trotzdem nun ein vollkommen
genügendes Merkmal zur Feststellung der Rangordnung der Cul-
turen wohl immer vergebens gesucht werden wird, ist die Hoffnung
auf Feststellung einer gewissen derartigen Anordnung dennoch
nicht ausgeschlossen.* Als besonders wichtiges Merkmal der
ursprünglichen Oulturen werden Unterscheidung der Völker in
solche mit und ohne Ackerbau, ferner die Phasen der Agrar-
Verfassung, die grössere oder geringere Uentralisation der politischen
Verfassung, endlich die Entwickelung des Eigenthumsrechtes ange-
führt und dann fortgefahren: Verfassung und Eigenthum übten,
Dank ihrem Zusammenhang untereinander und mit dem keimenden
Ackerbau einen so grossen Einfluss, dass sie, trotz mannigfachem
Abweichen, Zurückbleiben und Vorausellen anderer Üultur-
phänomene, doch am sichersten die Linie des Fortschritts bezeichnen
und genügen, um junge d. h. unvollkommene und alte d. h. voll-
kommene Cultur zu unterscheiden.“
Dieser Unterscheidungsgrund mag wohl ungenügend sein,
(auch sind seitdem andere vorgeschlagen worden,) allein an und
für sich wird man doch das Suchen darnach gegenüber dem
5) Zeitschr. für vergl. Rechtswiss. V 1—115: „Ueber Ursprung und
Enntwickelungsgesch. d. Eigenthums.“ ®) 1. ec. 8.7.