Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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sei die Constatirung einer Entwickelung werthlos. Das ist aber 
vollkommen unrichtig. Das erste ist Constatirung und Beschreibung 
von Typen, mögen dieselben in Einzelerscheinungen oder als 
Entwickelungen auftreten, das zweite ist das Aufsuchen der 
wirkenden inneren Gründe. So gehen alle Wissenschaften zu 
Werke. Uebrigens stellt die Entwickelung selbst bereits eine Causal- 
kette dar, von der die Forschung zu höheren Ursachen aufsteigen 
kann. Der Zeit nach ist dies aber, ebenso wie die ethische 
Beurtheilung der Erscheinungen, eine Aufgabe zweiter Ordnung. 
Richtet sich der vorige Einwurf gegen Vernachlässigung der 
Classification der Erscheinungen, namentlich nach ihren ethischen 
Qualitäten, so geht der folgende noch tiefer, indem er den Ver- 
tretern der neuen Richtung leichtfertiges Bauen aus schlechtem 
Material, Festhalten an einer ungenügend begründeten, angeblich 
fundamentalen Lehre von einer Geschlechtsgenossenschaft der 
Urzeit, Mangel an Quellenkritik vorhält und zum Schluss gelangt, 
dass hier bloss rudimentäre Vorarbeiten vorliegen, deren Werth 
erst durch die Zukunft geprüft werden wird. Nun ist es freilich 
sicher, dass eine zugleich so junge und so schwierige Wissenschaft 
wenige Ergebnisse aufweist, die in ihren Einzelheiten über alle 
Zweifel erhaben und nicht Gegenstand künftiger Verification und 
Richtigstellung wären, allein dasselbe Schicksal theilen andere, 
ältere und durch ihr Alter accreditirte Wissenschaften, so namentlich 
die vornehmste und älteste unter ihnen: die Philosophie. 
Die Sachlage wird zunächst so dargestellt, als wären die in 
der Urgeschichte der Völker entdeckten Gleichmässigkeiten wissen- 
schaftlich völlig indifferent und die Aufgabe der Wissenschaft 
bestände nur in „Auffindung und Klarstellung der Momente, 
welche es bewirken, dass die äusserlich gleichen Umstände den- 
noch zu differenten Ergebnissen geführt haben“. Dieses Urtheil 
bedarf der Widerlegung. Würde sich die neue Wissenschaft 
auch gar keine andere Aufgabe stellen, als eine Gleichmässigkeit 
der Erscheinungen, einen gemeinsamen Ausgangspunkt derselben 
auf allen Gebieten des Lebens, auf dem Gebiete des Rechtes 
also eine Reihe von Urinstitutionen zu entdecken, so wäre hie- 
mit allein ihre Existenzberechtigung sichergestellt; die Differenzi- 
rung der Urinstitutionen in späterer Zeit wäre eine neue, grossen-
	        
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