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theils anderen Wissenschaften zufallende Aufgabe. Ist beispiels-
weise die Raubehe in ihren Formen und Metamorphosen
festgestellt worden, so wird der Germanist daraus eine Reihe
von Gebilden deutschen Rechtes und deutscher Sitte erklären,
die ohne diesen Ausgangspunkt unverständlich wären. Aehn-
liches gilt von den Institutionen des ehelichen Güterrechtes.
In Summe ist bisher nicht sowohl die Gleichmässigkeit, als
vielmehr die Ungleichmässigkeit der Ursachen überschätzt und
zu sehr betont worden, so namentlich von BuckLE. Sie ist
augenfällig, während die Gleichmässigkeiten verborgener sind,
daher sie übersehen oder nur sporadisch bemerkt und dann falsch
erklärt wurden. Die Gleichmässigkeit der Entwickelung kann sich
entweder auf einzelne Institutionen beziehen oder auf ganze
Culturstufen und hier kann sie, wegen der ungleich raschen Ent-
wickelung der Institutionen bei verschiedenen Völkern niemals
streng sein, wodurch, wie schon bemerkt, eine Anordnung der
Völker nach ihrer Reife nicht behindert ist®).. Wo aber diese
Variationen völlig vernachlässigt werden, dort entsteht ein falsches
Bild und dies ist im vollen Sinn des Wortes bei Posr’s
„Geschlechterverfassung“ und „@Geschlechtsgenossenschaft der
Urzeit“ der Fall. STOERK schreibt diese Lehre Posrt’s mit
Unrecht der ganzen Schule zu. Wir haben uns bereits ander-
weitig (bei Besprechung von PosTt’s „Grundlagen des Rechts“)
entschieden gegen sie ausgesprochen ?). Mit Recht erhebt STOERK
den Vorwurf, dass diese „Geschlechterordnung“ an verschiedenen
Orten aus ganz verschiedenen Elementen zusammengesetzt und
ganz verschiedener Natur ist. Es ist dies ein Cardinalpunkt und
eine Lebensfrage der sociologischen Rechtslehre, auf die wir mit
einigen Bemerkungen eingehen müssen.
„Die primitive Geschlechtsordnung“ sagt Post !®), „welche
den Ausgangspunkt für das ganze staatliche und rechtliche Leben
der menschlichen Rasse bildet, erscheint als eine, auf Gemein-
samkeit des Blutes basirte Schutz- und Trutzgenossenschaft eigen-
8) Dareun, Urspr. u. Entwick. d. Eig. 8, 5.
®) Zeitschr. f. Privat- vu. Oeffentl. Recht XIII S. 181 ff.
1%) Ursprung des Rechtes S. 80 ff. vgl. Geschlechtsgenossenschaft der
Urzeit 8. 8.
Archiv für öffentliches Recht. DI. 3. 4. 7