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lich allgemeinen Hetärismus. Mit Wahrscheinlichkeit müssen wir
uns hier, wie in allen empirischen Wissenschaften begnügen, die
Frage ist nur, ob im gegebenen Falle die Wahrscheinlichkeit aus-
reicht, um die behauptete Lehre weiteren Schlüssen zu Grunde
legen zu dürfen. Mit Rücksicht auf die erste der drei Thatsachen-
gruppen sind wir geneigt, die Frage zu bejahen, denn wirklich
ist bis heute eine befriedigende Erklärung des classificatorischen
Verwandtschaftssystems nicht beigebracht worden, während dessen
Existenz, resp. Ueberreste in immer weiteren Kreisen nachgewiesen
werden und bereits über allen Zweifel erhaben sind.
Eines aber muss, die Constatirbarkeit des ursprünglichen
Hetärismus angenommen, festgehalten werden: Ueber den sonstigen
gesellschaftlichen Zustand der Menschen in dieser Periode wissen
wir aus directen Berichten so gut wie nichts, aus sicheren Rück-
schlüssen sehr wenig und dieses Wenige stimmt nicht mit dem
von Post entworfenen Bilde. Frauen und Kinder sollen damals
gemeinsames Gut des Geschlechtes und aus dessen gemeinsamem
Vermögen erhalten worden sein. Dieses Vermögensverhältniss zu
den Frauen wird aus der Thatsache des Hetärismus, des ursprüng-
lich schrankenlosen Geschlechtsverkehrs gefolgert. Allein Ge-
schlechtsverkehr mit einer Frau, Verfügung über ihre Gunst war
erst viel später, nach Einführung einer strengen, auf dem Eigen-
thumsbegriff bereits basirten Ehe, Kennzeichen — sagen wir
Accidens — der Herrschaft des Mannes über die Frau An
sich aber ist der Geschlechtsverkehr in den Augen der Natur-
völker keineswegs hinreichend, um ein Eigenthums- oder über-
haupt Vermögensverhältniss zu begründen: Beweis genug eben
die so weit verbreitete, schrankenlose Freiheit der Mädchen in
einer Culturperiode, in welcher von Eigenthum des Stammes
an ihnen keinesfalls gesprochen werden kann und Post selbst
kein Stammeseigenthum an ihnen behauptet. Ebenso mögen wohl
die Kinder nicht zu Individuen, sondern zum ganzen Stamm gehört
haben, sobald die bei den Naturvölkern mehrere Jahre in
Anspruch nehmende Ernährung durch die Milch der Mutter auf-
hört. Dass sie aber in irgend einer Beziehung als Gut, als Theil
des Vermögens betrachtet wurden, dafür fehlt nicht nur jeder
Anhaltspunkt, es ist sogar mit den Thatsachen einer bereits