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Rossberg mit einer Anzeige des Amtsdieners vom 23. Dez. 1884, dass die
Ofensetzer G.’schen Eheleute syphilitisch erkrankt seien und angegeben hätten,
sich nicht selbst kuriren zu können. Der Amtsvorsteher ersuchte unter dem-
selben Datum den Dr. H. zu Beuthen um Untersuchung ihres Krankheits-
zustandes und um Aeusserung, ob Lazarethpflege erforderlich sei. Sollte
letzteres nicht der Fall sein, so bitte er um deren ärztliche Behandlung auf
Kosten des Armenverbandes, da dieselben arm und nicht im Stande seien,
die Kurkosten zu bestreiten. — Die Untersuchung der G.’schen Eheleute
erfolgte ebenfalls am 23. Dezember durch den Dr. H. in Beuthen. Dieser
erachtete Lazarethpflege für nothwendig. Darauf erklärten die G.’schen Ehe-
leute auf dem Amtsbureau zu Rossberg an demselben Tage: „Sie seien
im Stande die Kosten für ihre Kur und Pflege zu bestreiten,
bäten, sie nicht in das Lazareth unterzubringen; sie würden sich von dem
Dr. H. ärztlich behandeln lassen.“ Diese Erklärung gab dem Amtsvorsteher
Veranlassung, dem Dr. H. gleichfalls am 23. Dezember mitzutheilen: Die
G.’schen Eheleute wollten nicht in das Krankenhaus; der Dr. H. werde dess-
halb um ärztliche Behandlung derselben ersucht und gebeten, dem
Amtsvorsteher mitzutheilen, dass dies geschehensei.
— Als darauf der Dr. H. bemerkte, dass wegen der hochgradigen Erkran-
kung der G.’schen Eheleute eine bei ambulanter Behandlung nicht durch-
führbare systematische Kur, und desshalb Aufnahme derselben in das Laza-
reth geboten sei, ersuchte der Amtsvorsteher zu Rossberg den Gutsvorsteher
zu Guretzko, die G.’schen Eheleute in die Gemeindekrankenanstalt zu Ross-
berg aufnehmen zu lassen, und dies geschah ebenfalls noch am 23. Dezember.
„Dieser Hergang der Sache — heisst es in dem Urtheil des Bundes-
amts vom 6. Februar 1886 — lässt klar erkennen, dass die G.’schen Ehe-
leute keineswegs ihrerseits um Heilung ihrer Krankheit nachgesucht haben,
sondern dass der Amtsvorsteher, sobald ihm von derselben Kenntniss zuge-
gangen, mit grosser Energie die Feststellung ihres Gesundheitszustandes und
die Unterbringung derselben in das Krankenhaus ihres Widerspruchs unge-
achtet herbeigeführt, und die G.’schen Eheleute bis zu dem letzteren Zeit-
punkt sich nicht selbst überlassen hat. Ob dies sogar, wie Beklagter
behauptet, auch äusserlich dadurch erkennbar geworden ist, dass der Amts-
vorsteher die G.’schen Eheleute durch den Amtsboten zu dem Dr. H. hat
nach Beuthen bringen und schliesslich in das Krankenhaus hat überführen
lassen, kann unerörtert bleiben. Es genügt, dass die Polizeibehörde das zur
Heilung der G.’schen Eheleute Erforderliche veranlasst hat.
Dass sie dabei als Armenpolizeibehörde gehandelt habe, ist nach
Lage der Akten nicht anzunehmen. Als solche hätte sie an den fürsorge-
pflichtigen Armenverband sich wenden und diesem aufgeben müssen, seine
gesetzlichen Pflichten zu erfüllen. Eine solche Aufforderung ist nicht erfolgt;
und das Schreiben an den Gutsvorstand zu Guretzko, welcher zugleich als
Hülfsorgan des Amtsvorstehers für die Polizeiverwaltung und als Vertreter
des klagenden Armenverbandes fungirt, lässt nicht erkennen, dass die Thätig-