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gung der Zwangserziehung den vorerwähnten Verbänden zur Last, soweit sie
nicht aus dem eigenen Vermögen des Zöglings getragen oder von dem aus privat-
rechtlichen Titeln zur Alimentation Verpflichteten eingezogen werden können.“
Demnach schien es zulässig anzunehmen, dass die Kosten der Einliefe-
rung und ersten Ausstattung, sowie der Rückreise — den Fall der Hülfs-
bedürftigkeit vorausgesetzt — den Armenverbänder auferlegt und daher
auch im Sinne des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 als Kosten der öffentlichen
Armenpflege anzusehen seien. Eine frühere Entscheidung des Bundesamts
(Entsch., Bd. XVL., S. 92) geht von dieser Voraussetzung aus. Neuerdings
hat indess das Bundesamt in mehreren Entscheidungen ausgeführt, dass der
durch $ 12. Abs. 2. begründete Erstattungsanspruch gegen den Ortsarmen-
verband des Unterstützungswohnsitzes ein armenrechtlicher im Sinne des
Reichsgesetzes nicht sei und daher auch nicht vor den auf Grund des Reichs-
gesetzes gebildeten Spruchbehörden verfolgt werden könne.
In dem einen Falle hatte ein Provinzialverband einen solchen Erstattungs-
anspruch gegen den Armenverband des Unterstützungswohnsitzes erhoben, in
den beiden anderen Fällen waren die Kosten der Einlieferung und Bekleidung
von den Ortsarmenverbänden des Aufenthalts verauslagt worden.
Die Gründe der in diesen Sachen am 10. April1886 und am 12. Juni
1886 erlassenen Urtheile gehen von dem $ 2 des Reichsgesetzes vom 6. Juni
1870 aus:
„Die öffentliche Unterstützung hülfsbedürftiger Deutscher wird
nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes durch Ortsarmenverbände
und durch Landarmenverbände geübt,“
Im Sinne des Reichsgesetzes könne hiernach als eine öffentliche Unter-
stützung nur eine solche angesehen werden, welche nach Maassgabe des
Unterstützungswohnsitzgesetzes erfolge. Nur für Streitigkeiten zwischen ver-
schiedenen Armenverbänden über eine derartige Öffentliche Unterstützung
sei nach $ 37 fi. a. a. O. das Streitverfahren vor den auf Grund des Reichs-
gesetzes gebildeten Spruchbehörden zulässig. Es müsse aber verneint werden,
dass es sich bei der Bestreitung der Kosten der Einlieferung, Ausstattung
und Rückreise eines Zöglings um eine nach Maassgabe des Reichsgesetzes
zu übende Unterstützung handle. Denn, so heisst es in dem Urtheile vom
10. April 1886: „nach diesem Gesetz ist die vorläufige Fürsorge für einen
Hülfsbedürftigen stets von dem Ortsarmenverbande des Aufenthalts zu
leisten ($$ 28 und 60 a. a. O.), welcher seinergeits unter den Voraussetzungen
des $ 80 a. a. O. seinen Erstattungsanspruch gegen einen anderen Ortsarmen-
verband oder einen Landarmenverband — gleichgültig ob dieselben dem näm-
lichen oder einem anderen Bundesstaat angehören — geltend zu machen hat.“
‘Wenn man daher auch annehmen wollte, dass es der Preussischen
Landesgesetzgebung nach $ 8 des Reichsgasetzes®) freigestanden habe, die
‚*) „Die Landesgesetze bestimmen ... über die Art und das Maass
der im Falle der ülfsbedürftigkeit zu gewährenden öffentlichen Unter-
stützung“ u. 8, W.