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zu fingiren. — Nur unter dieser Voraussetzung hat das Bundesamt ein
Ruhen des Fristenlaufes vor thatsächlich begonnener Unterstützung ange-
nommen (Entsch. I. 44. IX. 5 und insbesondere XIII. 26 ff. XVI. 24. 25)
und erscheint ein Abgehen von dem Wortlaute der 88 14 und 27, Abs. 1
gerechtfertigt.
Die Vernachlässigung der vorläufigen Fürsorgepflicht durch einen
an der Tragung der definitiven Armenlast uninteressirten Armenverband hat
— abgesehen von dem Falle einer Kollusion — nicht den Charakter eines
auf Umgehung des Gesetzes gerichteten Verfahrens. Sie erscheint daher
für das Verhältniss der beiden interessirten Armenverbände als ein zutälliger
Umstand.
5. Unterstützungswohnsitz der Stiefkinder.
In Sachen des Ortsarmenverbandes Frankfurt a. M. Klägers wider den
Ortsarmenverband Neuerhasslau Beklagten, war der Letztere in erster Instanz
zur Erstattung der von dem Kläger für den Knaben Andreas O. aufgewen-
deten Unterstützungskosten verurtheilt worden. — Der Knabe O. ist ein
unehelicher Sohn der Margarethe O., welche am 17. November 1879 den
Taglöhner Georg M. zu Frankfurt a. M, heirathete. Letzterer besass damals
den Unterstützungswohnsitz in Neuenhasslau; ebenso auch, als seine Ehefrau,
die Mutter des Knaben O. am 3. Juli 1880 verstarb.
Der erste Richter hatte unter diesen Umständen angenommen, dass
Neuenhasslau der Unterstützungswohnsitz des Knaben O. sei. Dagegen hatte
der Beklagte in der Berufungsinstanz auszuführen gesucht, dass Frankfurt a. M
der Unterstützungswohnsitz des Knaben sei. — Seine Gründe ergaben sich
aus der Motivirung des die Vorentscheidung bestätigenden Urtheils des Bundes-
amts vom 4. Dezember 1886, in welchem die Ausführungen des Be-
klagten auf eine unrichtige Auslegung der 88 18 und 21 des Reichsgesetzes
vom 6. Juni 1870 zurückgeführt werden.
Es heisst in jenem Urtheile:
Wenn der Berufungskläger meint, dass die Heirath der Mutter auf
den vor derselben in Frankfurt a. M. begründet gewesenen Unterstützungs-
wohnsitz des Kraben keinen Einfluss habe, weil dieser weder durch die
Ehe legitimirt, noch von dem M. adoptirt sei, so übersieht er, dass im vor-
liegenden Falle die Feststellung des Unterstützungswohnsitzes des Knaben
nicht darauf beruht, dass er zu seinem Stiefvater in ein Kindschaftsverhältniss
getreten ist ($ 18 a. a. O.), sondern vielmehr darauf, dass der Unterstützungs-
wohnsitz seiner Mutter, welchen derselbe nach $ 21 a. a. O. theilt, durch
deren Verheirathung mit dem M. eine Veränderung erlitten hat ($ 15 a.a. O.),
welche indirekt auf den Unterstützungswohnsitz des unehelichen Kindes
derselben zurückwirkt. In ein unmittelbares Verhältniss zu dem Stief-
vater ist der Knabe Andreas O. nicht getreten. Nach dem Tode seiner
Mutter war daher der Unterstützungswohnsitz des M. nicht ferner bestimmend