Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

A. Corsi. L’occupazione militare in tempo di guerra et 
le relazioni di diritto pubblico e privato che ne 
derivano. Seconda edizione. tomo I. Diritto internazionale pub- 
blico. Firenze. 1886. 
Der Verf. geht davon aus, dass die vollständige Umwandlung der 
Kriegskunst und die Ausbildung des Völkerrechtes dem Recht der Erobe- 
rung eine ganz neue Gestalt gegeben haben; dem einst allmächtigen Sieger 
sind, abgesehen von dem zukünftigen Geschicke des eingenommenen Landes, 
bestimmte Grenzen für die zeitweilige Ausübung der Regierungsgewalt 
gezogen, welche zwar die Erreichung des Kriegszweckes nicht behindern 
dürfen, im Uebrigen aber die nationale Souveränetät respectiren müssen. 
Es ist im Unterschied von einer bloss vorübergehenden Invasion und von der 
durch Einverleibung vollendeten Eroberung, diese zeitweilige Ersetzung der 
einheimischen Regierung in dauernd besetzten Gebieten durch die feindliche 
Macht, welche der Verf. in der vorliegenden Schrift behandelt. Da diese 
Regierung eine zeitweilige Ausübung souveräner Rechte ist, folgt daraus, dass 
sie die bestehenden Behörden ausser Kraft setzen, die nationalen Gesetze 
abändern kann, aber da dieser Zwischenzustand keine Uebertragung der 
Souveränetät einschliesst, vielmehr dem künftigen nach dem herzustellenden 
Frieden nicht vorgreifen soll, so folgt auch daraus, dass alle Eingriffe in 
die örtliche Regierung und Gesetzgebung sich auf das Maass beschränken 
sollen, welches durch die Kriegszwecke gefordert wird und dass die Einwohner 
zwar zum Gehorsam gegen die bestehende Macht verpflichtet sind, dass ihnen 
aber nichts zugemuthet werden darf, was die Pflichten gegen ihre nationale 
Regierung verletzt. Der gesammte vorgefundene Regierungsorganismus bleibt 
also in Wirksamkeit, nur seine oberste Spitze wird zeitweilig gewechselt und 
es ist sehr übel angebracht, wenn die geschlagene Regierung ihre Beamten 
aus dem besetzten Lande abberuft, wie dies Oesterreich 1866 in Böhmen, 
GAMBETTA 1870 durch das Dekret vom 1. Nov. that, denn durch eine solche 
thatsächliche Regierungslosigkeit leiden die Unterthanen des betr. Gebietes 
am meisten. Diese grundsätzliche Auffassung der dauernden kriegerischen 
Besetzung ist neu und unbestreitbar ein Fortschritt des Völkerrechtes; Corsı 
zeigt, wie langsam die geschichtliche Entwickelung sich bis zu diesem Punkt 
durchgearbeitet hat. Die Amerikanischen Kriegsartikel von 1863, welche 
für letztere so wichtig geworden sind, halten principiell noch daran fest, 
dass durch die Thatsache der Besetzung das feindliche Gebiet und seine 
Unterthanen dem Kriegsrecht unterworfen werden, also die bestehende Gesetz- 
gebung und Regierung suspendirt ist, aber Art. 6 sagt dech, dass bis auf 
gegentheilige Verordnung die bürgerlichen und Strafgesetze bestehen bleiben 
und nach Art. 33 können die Unterthanen des besetzten Gebietes nicht
	        
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