— 598 —
genöthigt werden, in den Dienst des Siegers zu treten, wenn derselbe nicht
entschlossen ist, das Land im Frieden zu behalten; das öffentliche Eigenthum
soll geachtet und das Gehalt aller in Function bleibenden Beamten unver-
kürzt gezahlt werden. Auch so beschränkt enthalten die Instructionen noch
vielfache Härten, weit besser präcisirt die Frage die erste Section des Ent-
wurfs eines Kriegsrechtes der Brüsseler Conferenz von 1870. „De l’autorite
sur le territoire de l’etat ennemi,“ und noch klarer ist die Bearbeitung dieser
Frage in dem vom Institut de droit internat. verfassten Manuel: „Les lois de
guerre sur terre.“ Cap. Il. „Des territoires occupes.* Hier wird still-
schweigend anerkannt, dass es sich bei der Besetzung eines feindlichen
Gebietes nicht um die Uebertragung der Souveränetät handelt, sondern um
einen Zwischenzustand, dessen Rechte und Pflichten festzustellen sind. Die
erste Pflicht ist alle Massregeln zu |treffen, welche für die Erhaltung der
öffentlichen Ordnung notwendig sind, die bestehenden Gesetze bleiben in
Kraft, die Beamten, welche ihre Functionen fortsetzen, werden geschützt
und können nur für Pflichtverletzung zur Rechenschaft gezogen werden. Die
Bevölkerung kann nicht genötigt werden, dem Feinde einen Eid zu leisten,
aber muss seiner Autorität gehorchen, sie darf nicht zu militärischen Arbeiten
herangezogen werden, die individuelle Sicherheit, der religiöse Cultus sind
zu schützen. Die besetzende Macht kann sich nur die Öffentlichen Kassen-
bestände, Waffen, Proviant und sonstige Mobilien, welche zur Kriegführung
dienen, aneignen, das Material der Verkehrsanstalten kann sie nur für ihren
Gebrauch sequestriren, falls nicht kriegerische Operationen eine Zerstörung
nothwendig machen. Von den Immobilien gebührt ihr nur der Niessbrauch
und sie hat deren Substanz unverändert zu erhalten, das Eigenthum der
Gemeinden, Cultus-, Unterrichts-, Wohlthätigkeitsanstalten ist unverletzlich, eine
Beschädigung derselben sowie der Archive, Kunstwerke und Monumente ist
nur durch die Kriegsnothwendigkeit gerechtfertigt. Das Privateigenthum wird
geschützt, die Verkehrsmittel der Privatgesellschaften sind diesen beim
Friedensschluss zurückzugeben, die Requisitionen (Naturalleistungen) sind nach
dem Bedürfniss und der Leistungsfähigkeit vom Befehlshaber des Bezirks
festzustellen. An Steuern dürfen nur die bestehenden erhoben werden und
aus dem Ertrag sind die Kosten der Verwaltung zu bestreiten. Ausseror-
dentliche Kriegscontributionen in Geld können nur als Strafe für unbezahlte
Steuern und nichtgeleistete Requisitionen auferlegt werden und nur von der
obersten Behörde. Für alle Zahlungen und Leistungen ist Quittung zu geben.
Diese Grundsätze sichern den Einwohnern alle nothwendigen Rechte und
fordern nichts Unbilliges von ihnen, sie gewähren andererseits der besetzen-
den Macht alle wünschenswerthe Freiheit der Bewegung für ihre Kriegführung
und hinreichenden Spielraum ihre Haltung den Umständen anzupassen, die-
selbe wird naturgemäss eine andere sein, wenn sie entschlossen ist das Gebiet
im Frieden zu behalten, als wenn es später zurückzugeben ist.
Es ist durchaus richtig, wenn Corsı die Bezeichnung dieses Zustandes
als eine Usurpation zurückweist, da das Kriegsrecht mit einer solchen nichts
zu thun hat, wenn er aber auch den Namen einer de facto Regierung be-
streitet, welche HEFFTER und HarLteck der besetzenden Macht zusprechen,
weil sie sui generis sei, so steht dem entgegen, dass sich diese Regierung
lediglich auf die Thatsache der Besetzung begründet und mit deren Auf-
hören sofort beendet ist, die eigenthümliche Natur der Regierung hebt also