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giebt er in dem zweiten Abschnitte seine Vorschläge zu der nothwendigen
Reform ab, wobei er insbesondere Voraussetzung und Eintheilung der Steuer-
vergehen, Qualität und Quantität der Steuerstrafen, Strafausschliessungsgründe,
Versuch, Theilnahme, Konkurrenz und Rückfälligkeit, Haftung u. s. w. sowie
die Grundsätze des Strafverfahrens — sämmtliches jedoch nur in den all-
gemeinen Grundsätzen — eingehend berücksichtigt. Es würde zu weit führen,
wenn wir an dieser Stelle eine weitere Besprechung des Werkes eintreten
lassen wollten. Wir stehen um so mehr davon ab, als uns das für ein
näheres Eingehen erforderliche Gesetzesmaterial unzugänglich ist. Wir
möchten indessen nicht mit der Erklärung zurückhalten, dass wir mit
grossem Interesse dem Verfasser bei der klaren und lichtvollen theoretischen
Entwickelung gefolgt sind. Namentlich seinen Ausführungen über die Aehn-
lichkeit der Gefällehinterziehungen mit den als Betrüg sich qualificirenden
strafbaren Handlungen, über den Finanzzweck der Strafe (punitur, quia
peccatum est und ne peccetur) treten wir überall voll bei. Die bedauerlichen
Folgen gewohnheitsmässiger Gefällehinterziehungen für die Volksmoral treten
überall zu Tage und es ist zu beklagen, dass nicht von der berufensten Seite,
von der Geistlichkeit mehr dagegen aufgetreten wird, als es in der That
geschieht. Interessant ist es uns gewesen, zu erfahren, dass die ältere
österreichische Gesetzgebung sogar gegen (Geistliche, welche Schwärzer
begünstigen, besondere Strafen (Temporaliensperre) hat vorsehen müssen.
Was das Strafprozessverfahren anlangt, so möchten wir nicht mit
dem Herrn Verfasser die ausschliessliche Zuweisung der Steuerübertretungen
oder Vergehen an die ordentlichen Gerichte befürworten. Wir erachten die
Entscheidung durch die Finanzbehörden umsomehr als angemessen, als diese
wegen ihrer technischen Kenntnisse die Schwere der Delikte zu würdigen
besser in der Lage sind, als die Gerichte, denen jene Kenntnisse und damit
der Maassstab der richtigen Beurtheilung in der Regel nicht beiwohnt.
Dies Verfahren ist kurz, rasch und billig. Die Entscheidungen dürfen nicht
arbiträr sein, jedoch muss Milderung der Strafe den gegebenen Umständen
nach in der höheren Instanz des Verwaltungsverfahrens eintreten können.
Das Recht, auf die Entscheidung der Gerichte anzutragen, muss dagegen zur
Beseitigung vermeintlicher Unrichtigkeiten der Finanzbehörden dem Ange-
schuldigten im weitesten Umfange gestattet sein. Die entscheidenden Ge-
richte sollen aber nicht besondere Gefällegerichte, sondern die ordentlichen
Gerichte sein. Die Zuständigkeit der Gerichte entscheidet sich für die
einzelnen Fälle ohne Bedenken nach den allgemeinen Vorschriften im Hin-
blick auf das für das jeweilige Delict vorgesehene Strafmaass.
Auf den besonderen Theil des materiellen Strafrechts ist der Herr
Verfasser nicht näher eingegangen, weil dieses wegen der verschiedenen
Zweige des Steuerwesens überhaupt nicht die Arbeit eines einzelnen Mannes
sei, sondern nur vereinten Kräften verschiedener mit den einzelnen Steuer-
zweigen besondersvertrauten Personen möglich sein würde, denen die besonderen
technischen Kenntnisse innewohnen. Aus gleichen Erwägungen erachten wir
auch eine vereinte Kodifizirung des gesammten Steuerstrafrechts nicht
für ausführbar und glauben, dass die Spezialgesetzgebung nach den einzelnen
Abgabenarten und in Verbindung mit den Steuergesetzen selbst geboten
sei. Wie diese nicht stetig sind, müssen sich auch die Strafgesetze fort-
während ändern. Im Steuergesetze selbst werden sich dann auch Versuch,