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über, welche sich namentlich in der Ausnutzung der einschlägigen
Quellen zeigt und um so höher zu veranschlagen ist, wenn man
bedenkt, wie wenig gesichtet das ganze Material bis dahin ge-
wesen ist und welche gewaltigen Schwierigkeiten das bisherige,
allerdings in steter Entwicklung begriffene amerikanische Biblio-
thekenwesen dem Forscher entgegenstellte. Nur ein langjähriger
Aufenthalt im Lande selbst und der sprichwörtliche Eifer des
deutschen Gelehrten haben das Zustandekommen einer derartigen
Arbeit ermöglicht, die im übrigen durch ihre strenge aber
durchaus gerechte Kritik sich von der sonstigen Gepflogen-
heit deutscher Schriftsteller vortheilhaft auszeichnet; bisher war
in den Arbeiten deutscher Publizisten über die grosse trans-
atlantische Republik entweder nur eine kritiklose Verherrlichung
der dortigen Zustände oder aber eine zum Theil nicht einmal auf
persönlicher Anschauung beruhende, durchweg absprechende Be-
urtheilung zu finden, die in Anbetracht namentlich unserer monar-
chischen Staatseinrichtung für dasgewaltige Staatswesen drüben kaum
ein verächtliches Achselzucken übrig hatte, um darzuthun, wie wir’s
zuletzt so herrlich weit gebracht und zu welchem wüsten Chaos
das Treiben der „Republikaner und Demokraten“ in der neuen
Welt geführt habe. In vollem Gegensatze dazu hat v. Hoısr,
wie schon angedeutet, es sich mit vielem Eifer und unverkenn-
barem Erfolge angelegen sein lassen, darzuthun, dass neben den
unbestreitbaren, zum Theil übrigens durch die Jugend des Landes
nothwendig bedingten Schattenseiten in demselben auch unendlich
viele Vorzüge zu Tage treten, an denen man allenthalben zu
lernen vermag.
Nach dem Vorworte zum ersten Bande, welchen er „Verfas-
sung und Demokratie* genannt hat, war es ursprünglich v. Housr’s
Absicht, lediglich „die innere Geschichte der Vereinigten Staaten
zu behandeln, soweit sie für die Entwicklung und das Verständ-
niss des Verfassungsrechtes und der Demokratie von Belang ist“;
die folgenden Bände hat er dann schlechthin als „Verfassungs-
geschichte“ bezeichnet; allein thatsächlich bietet die Arbeit auf
der einen Seite etwas weniger, auf der andern viel mehr, als man
nach diesem Titel erwarten sollte; dieser lässt offenbar ein Werk
rein publizistischer oder, im engeren Sinne, staatsrechtlicher Art
vermuthen; allein v. Horst erweist sich in jeder Zeile, die er
schreibt, nicht als Publizisten, sondern als das, was er in Wahr-