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Wittwe in Schwangerschaft zurückgeblieben wäre. Auch schon
in dieser Gestalt würde die berührte Verordnung wohl mehr als
ein einfacher Präcedenzfall zu bedeuten haben. Die juristische
Bedeutung der Anordnung von 1826 wird aber ausserdem in ihr
selbst ganz zweifellos als eine allgemein geltende (allgemein sich
ergebende) Norm aufgefasst, deren so zu sagen verfassungsmässige
(reichsgrundgesetzliche) Correctheit ganz besonders und nachdrück-
lich betont wird: sie wird als folgerichtige Interpretation des
Statuts von 1797, und solches ganz mit Recht, bezeichnet. Ausser-
dem sei bemerkt, dass für die in Rede stehende Verordnung
gleichsam die Zustimmung eines Familienrathes eingeholt wurde,
was rechtlich gar nicht nöthig war: Der Grossfürst ConsTanrın,
der ältere Bruder des Kaisers NıcoLAus, der dem Thron zu
Gunsten dieses seines jüngeren Bruders entsagt hatte, gab seine
Zustimmung zu der Anordnung von 1826. Die Doctrin des russi-
schen Staatsrechts hat diese deutliche Rechtsnatur der Anord-
nung von 1826 übersehen. d) Der Fall einer Geburt von Zwillings-
söhnen nach des Kaisers Tode ist überhaupt nicht in Erwägung
gezogen worden, und doch ist die Bedeutung einer Bestimmung
in dieser Frage sofort zu erkennen. Eine Doppelgewalt von
zwei Kaisern wäre grundgesetzlich ausgeschlossen.
2. Eine ganz neue, allerdings in der Neuzeit ganz allgemein
traditionelle, Bestimmung wurde in das Thronfolgegesetz von
1797 durch die Anordnung von 1820 eingetragen; demnach ist
die Mitgliedschaft im Russischen Kaiserhause bedingt durch Ge-
burt aus sogen. ebenbürtiger Ehe; nur solche Nachkommen sind
thronberechtigt. Diese Bestimmung bildet den zweiten Theil des
nämlichen Aktenstückes, dessen erster Theil die nachgesuchte
und vom Synod. kanonisch für correct befundene Ehescheidung
des Grossfürsten Constantın von dessen (ebenbürtiger) Gemahlin
anordnete, mit Berufung auf die Zustimmung der Kaiserin-
Mutter. Das Gesetz von 1820 hat zum Zweck, Würde und
Frieden im Kaiserhause und im Reiche unerschütterlich zu