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juristische Interpretationsmittel sind nicht vorhanden. Die ein-
zige sichere positiv-rechtliche Grundlage für unsere Frage wäre
die gesetzlich präsumirte Zusammengehörigkeit der Regentschaft
und Vormundschaft, wenn dieser regelmässigen Ordnung nicht
eine Specialverfügung ad hoc entgegensteht.
Können wir an diesen scheinbar klaren Anhaltepunkt mit
Sicherheit die juristische Construction der erwähnten Regent-
schaftsanwartschaft des Vormundes ansetzen?
Rein formalistisch ginge das wohl, und die oben gestellte
Frage wäre recht einfach zu beantworten. Mir scheint aber,
dass wir auf diesem Wege der Sache Gewalt anthun würden.
Als gewiss darf gelten, dass der besondere Vormund gleich-
falls ausgezeichnete Vertrauensperson des Kaisers war. Selbst
dass er neben den hegenten für den einfacheren Posten des
Vormundes bestellt wurde, lässt keinen kategorischen Schluss
zu, als wäre er hiermit als unverwendbar für die Regentschaft
bezeichnet oder auch nur als minder bedeutend erachtet worden,
als der derzeitige Regent. Einen Unterschied macht es hierbei
auch nicht, wenn er eventuell zum minderjährigen Kaiser in
einem näheren Verwandtschaftsgrade stand oder an Jahren älter
war, als der Regent. Alles dies spräche also nicht gegen den
Vormund des minderjährigen Kaisers als stillschweigend bezeich-
neten eventuellen Substituten für den Regentschaftsposten. Doch
all’ diese Vermuthungen wären müssig. Sie hätten weder für,
noch gegen eine sichere Bedeutung, da sie über das Gebiet des
Willkürlichen nicht zu erheben sind, und ausserdem durch andere,
juristisch sicherere Gründe widerlegt werden können; denn besser
begründbare Rechte Dritter treten ihnen entgegen.
3. Das Gesetz spricht ganz consequent immer nur „von
Regentschaft und Vormundschaft“, d. h. ausschliesslich in dieser
Aufeinanderfolge. Es lässt andererseits beide Aemter als ganz
selbständige von einander trennen; es ist aber nicht gesagt,
dass das eine oder andere von dem (ab intestato) ge-