Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dritter Band. (3)

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Handhabung der Bestimmung im $ 5 des nach Erlass des preus- 
sischen Armengesetzes vom 8. März 1871 ohne weiteren Vor- 
behalt in Bayern zur Einführung gelangten Freizügigkeitsgesetzes 
eine Ungleichheit zum Nachtheil der diesseitigen Ortsarmen- 
verbände herbeigeführt wird. 
Ich kann hiernach nicht umhin, der von dem Herrn Ober- 
präsidenten zu Coblenz unter dem 4. April v. J. ergangenen 
Vorentscheidung dahin beizutreten, dass die Ausweisung der 
bayrischen Staatsangehörigen Wittwe P. und deren Kinder, 
auf welche die vorstehenden Voraussetzungen wegen Erwerbung 
eines Unterstützungswohnsitzes im Inlande zutreffen, nach gegen- 
wärtiger Lage der Gesetzgebung unstatthaft ist. 
Ein zweiter an das Königliche Polizeipräsidium zu Berlin gerich- 
teter Erlass vom 15. Juni 1886 nimmt auf obige Ausführungen Bezug, 
erklärt, dass der Minister auf seine frühere gegentheilige Ansicht. 
nicht mehr zurückommen werde und verbietet die Ausweisung eines 
bayrischen Unterthanen, welcher vor Eintritt der Hülfsbedürftigkeit 
den Unterstützungswohnsitz in Preussen erworben hat, auch für den 
Fall, dass die bayrische Heimathgemeinde den Antrag auf Ueberfüh- 
rung in die eigene Fürsorge aufrecht hält. 
Diese Erlasse entscheiden die Frage richtig, obwohl die unter 
Heranziehung des missverstandenen $ 11 Abs. 2 Fr.G. erfolgte Ver- 
legung des Schwerpunktes der Begründung in das zur Ausführung 
des U.W.G. ergangene preussische Landesgesetz verfehlt ist. Im 
Geltungsgebiete des U.W.G. gibt es kein Landesgesetz im Sinne des 
$ 11 Abs. 2 Fr.G. mehr, denn das U.W.G. selbst ist jetzt für das 
ganze Rechtsgebiet die alleinige Rechtsquelle für den Erwerb des 
Unterstützungswohnsitzes durch ununterbrochenen Aufenthalt. Wenn 
ferner $ 8 U.W.G. der landesgesetzlichen Regelung u. A. die Be- 
schaffung der Mittel der Armenpflege und die Zusammensetzung und 
Einrichtung ihrer Organe überlässt und $ 60 eod. den einzelnen 
Bundesstaaten anheimgibt, die ihnen als Staaten obliegende definitive 
Fürsorge für hülfsbedürftige Ausländer auf ihre Armenverbände zu 
übertragen, so liegt die Ausübung dieser Befugnisse auf dem Gebiet 
der den einzelnen Bundesstaaten verbliebenen Verwaltung. Da mithin 
jeder Bundesstaat hier sein eigenes Verwaltungsrecht hat, ist es ebenso 
selbstverständlich, wie für die interterritorialen Beziehungen schlech- 
terdings gleichgültig, wenn er in seinem Gebiete den Ausländer diesem 
Verwaltungsrechte unterwirft. Selbst wenn man bayrische Unterthanen
	        
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