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in jedem einzelnen Falle die Staatsgewalt die Regeln, welche für
das betreffende Rechtsgeschäft gelten sollen, besonders vor“ ?).
Diese Rechtssätze freilich verschmelzen sich unmittelbar mit ihrer
Anwendung auf die dem Censor gegenüberstehende Person und
gehen in ihren Wirkungen nicht über diesen Fall hinaus; es sind
lauter privilegia.
Thatsächlich erhält dadurch der censorische Akt keine grössere
Bedeutung, als wenn er nicht Rechtssatz hiesse; seine Stellung
im Rechtsgeschäft wird auch nicht geringer dadurch, dass er so
genannt wird. Nur der Begriff des Rechtssatzes ist es, dem hier
Misshandlung widerfahren sein könnte !°).
Dagegen würde allerdings die Natur unseres Rechtsinstituts
erheblich geändert durch die von Pernicz vertretene Theorie,
welche das gleiche subjektive Bedürfniss des Civilisten durch
eine äusserliche Zuthat befriedigen will.
Pernıcz!!) wendet sich zunächst gegen die Gesetzeseigen-
schaft der lex contractus. Dieselbe ist überflüssig. Die Befugniss
zur Eingehung der Verträge haben die Censoren durch die Er-
mächtigung des Volkes. „Und das ist die gesetzliche Grundlage
für die Geltung der Verträge.“ Damit hätten wir eigentlich
genug. Aber auch Prrnıcz bedarf noch eines Rechtssatzes, der
dem Akte die Wirksamkeit verleiht; denn. „selbstverständlich*
kann der Rechtsgrund dafür nicht in ihm selbst liegen: dieser
Rechtsgrund liegt vielmehr in der allgemeinen Anschauung, dass
9) Hryrovsky, $. 83.
10) Die Verwendung dieses Namens wird deshalb auch verworfen
von HÖLDER in Krit. Vierteljahrsschrift XXV, S. 313; MOMMSEN in Ztschft.
f. Rechtsgesch. N. F. VI, S. 270, Anm. 2; KarLowaA 8. 245, Anm. 1. Für,das
Bedenkliche seiner Ansichten gibt HEYRovskY selbst treffende Belege. Die
censorischen Polizeiverfügungen, die er anführt, ja auch die Ertheilung
der formula in factum concepta durch den Prätor, das possessorische In-
terdikt (a. a. O. S. 96) — alles hätte den nämlichen Anspruch darauf, als
Spezialgesetz aufgefasst zu werden.
11) Ztschft. f. Rechtsgesch. N. F. V, $. 114 ft.