Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dritter Band. (3)

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‚hinausging. Die Antwort ergibt sich, wenn man die einzelnen Blüthe- 
zeiten der Philosophie und der Rechtsphilosophie insbesondere be- 
trachtet. Wie der Mensch überhaupt, so kann sich auch seine Rechts- 
philosophie nicht befreien von den Schranken des Orts und der Zeit. 
Alle rechtsphilosophischen Werke, von Plato’s Republik an bis zur 
Blüthezeit der Rechtsphilosophie im 18. Jahrhundert, ja bis in die 
neueste Zeit, gehen nur scheinbar über die Mittelursachen hinaus, sie 
enthalten in abstractem, philosophischen Gewande die sehr concreten 
Forderungen einzelner Gesellschaftsklassen, die ihre Rechtfertigung in 
socialen und politischen Verhältnissen finden, aber „vernunftgemäss“, 
d. h. philosophisch begründet werden '). Weshalb man zu dieser ab- 
stracten Einkleidung politischer Forderungen so oft gegriffen hat, ist 
leicht erklärlich. Diejenige Klasse, welche sie aufstellt, ist nicht am 
Ruder des Staates, sie ist von der Gesetzgebung wie von der Ver- 
waltung desselben ausgeschlossen. Da sie instinktmässig ihre Be- 
dürfnisse fühlt, aber ohne Kenntniss vom wirklichen Staate von diesem 
abstrahiren muss, entsteht die abstracte philosophische Form, die 
übrigens als auf der „Vernunft“ begründet auch zur Ueberredung 
politischer Gegner ein sehr geeignetes Mittel ist. Es ist daher kein 
Zufall, dass die Blüthe der Rechtsphilosophie immer in politisch und 
social ungesunde Zeiten fällt. 
Wenn nun auch Referent in der Abneigung der Gegenwart gegen 
die Philosophie nicht wie der Herausgeber des Jahrbuchs einen Mangel 
zu erkennen vermag, so sind dies ja Verschiedenheiten in der Grund- 
anschauung von Recht und Staat, die lange bestanden haben, sich 
vielleicht auch noch lange erhalten werden, und über die sich daher 
nicht weiter rechten lässt. Dagegen erscheinen die Folgerungen, die 
der Herausgeber an verschiedenen Stellen des Jahrbuches aus seiner 
Auffassung von Staat und Recht zieht, selbst wenn man sich auf den 
philosophischen Standpunkt stellen wollte, nicht ohne Bedenken. Wenn 
der Herausgeber z. B. S. 10 aus der Jurrıng’schen Theorie von der 
Zweckmässigkeit des Rechtes folgert, die fortschreitende wahre Cultur 
) Den besten Beweis liefert die vom Herausgeber 8.7 aufgenommene 
Begriffsbestimmung Jurrınss vom Rechte als dem Inbegriffe der durch Ge- 
walt geschützten Lebensbedingungen der Gesellschaft, aus der u. a. die 
der Gesammtheit gegenüber nur relative Berechtigung des Privateigenthums 
gefolgert wird. Eine solche Theorie kann nur hervorgehen aus einer 
socialistisch stark beeinflussten Zeitströmung.
	        
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