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Preussischen Abgeordnetenhause in den Confliktsjahren ; damals
wurde allerdings seitens der liberalen Mehrheit, unter der Füh-
rung der Abgeordneten Gneiısı und FoRckENBEcK eine gesetz-
liche Fixirung der Friedenspräsenzstärke gefordert, im Gegen-
satz zur jährlichen Feststellung durch das Etatsgesetz.
Die Anführung dieser Thatsache mag geeignet sein, die
Inconsequenz derjenigen Politiker darzuthun, welche im Jahre
1863 im Preussischen Abgeordnetenhause eine Massregel for-
derten, gegen welche sie im constituirenden Reichstage heftig
ankämpften; indessen berechtigt uns nichts, den im Preussi-
schen Abgeordnetenhause in Jahre 1863 geäusserten ge-
setzgeberischen Willen ohne Weiteres auch für die in ähnlicher
Parteistellung befindliche Mehrheit des Reichstags von 1867
als fortbestehend anzusehen. Ueber die Beschlüsse von 1867
können vielmehr nur die Verhandlungen des constituirenden
Reichstags Aufschluss geben. Wir haben oben gezeigt, dass diese
einer Auslegung des Art. 60, wie Schuzze sie vertheidigt, einen
Stützpunkt keineswegs gewähren *°).
Preuss 26) nimmt an, dass die Gesetzgeber die Frage, ob
die Feststellung der Präsenzzahl durch Special- oder durch
Budgetgesetz erfolgen solle, im Jahre 1867 und später wollten
dahingestellt sein lassen. Er hält aber dafür, dass diese ‚rein
negative“ Absicht der gesetzgebenden Factoren in letzter Linie
nicht entscheidend sei für die Bedeutung des Gesetzes. Viel-
mehr sucht er nachzuweisen, dass das Gesetz (die Reichs-
verfassung) aus „inneren Gründen jene Frage, die man offen
15) SchuLze behauptet (a. a. O.), der Abgeordnete v. Bexnicsen habe
sich, gelegentlich der Berathung des Reichsmilitärgesetzes, der Auffassung
der Regierung angeschlossen „ wie dieselbe im $ 1 des Regierungsent-
wurfs zum Reichsmilitärgesetz ihren Ausdruck fand; dies ist ein Irrthum:
v. BEnnIıssen bekämpft vielmehr den Anspruch der Regierung auf eine
dauernde Festsetzung der Friedenspräsenzstärke (Sten. Bericht des
Reichstags, 1I. Legislaturperiode, 1. Session 1874, S. 755).
#) A. a. 0.8.70 ff.