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politische Erwägungen bedeutsamster Natur es als wünschens-
werth erscheinen lassen, dass die Verfassung dieses oder jenes
Organ mit dieser Function betraute und diese oder jene Art
der Ausübung demselben zur Pflicht machte, juristisch war
man jedoch in voller Freiheit, sowohl in der Wahl des Organs,
als auch hinsichtlich der Bedingungen, die bei der Ausübung
dem gewählten Organe vorzuschreiben waren. Wir wüssten uns
z. B. keinen juristischen Grund zu denken, der eine Fassung
des Art. 60 hätte hindern sollen, wonach etwa dem Kaiser oder
dem Bundesrath es überlassen sein sollte, den jeweiligen Staats-
verhältnissen entsprechend, die Friedenspräsenzstärke zu bestim-
men. Desgleichen könnte die Art der Ausübung diesen Organen
in der verschiedensten Weise vorgeschrieben sein. Ebensowenig
lässt sich ein innerer juristischer Grund denken, welcher die
mit der Feststellung der Verfassung betrauten Factoren hätte
hindern sollen, ausdrücklich zu bestimmen: die Friedenspräsenz
wird nach den jeweiligen Staatsverhältnissen durch das Etats-
gesetz festgestellt.
Darum fehlt es auch absolut an einem rechtlichen Grunde,
der es verbieten sollte, das „im Wege der Reichsgesetzgebung‘“
auch nach dem Etatsgesetze hin zu interpretiren.
Ad 2. Wir stimmen mit Prevss ın der Annahme überein, dass
Art. 62* unveränderte Geltung auch heute noch beanspruchen
kann. In der Interpretation kommen wir jedoch wiederum zu
Resultaten, die den seinigen entgegengesetzt sind.
Prevuss nimmt an, dass Art. 62% eine gesetzliche Grundlage
der Heeresorganisation fordere. Zu dieser Annahme scheint
uns jedoch weder der Wortlaut, noch der Gedankengang des
fraglichen Artikels zu berechtigen. U.E. ist diese Bestimmung
vielmehr dahin zu interpretiren, dass sie besagen will: Soweit
eine gesetzliche Organisation auf Grundlage der Verfassung fest-
steht, und solange sie als solche feststeht, wird dieselbe dem
Militärausgabeetat zu Grunde gelegt. Es ist dies ein eigentlich