—_— 242 —
„Der Kaiser bestimmt den Präsenzstand, die Gliederung und
Eintheilung der Contingente des Reichsheeres.‘“
Dieser Ansicht gab der Reichskanzler Fürst Bısmarcx Aus-
druck, wenn er in der am 11. Januar 1887 gehaltenen Rede im
Reichstage ausführte 7%):
„Wenn wir uns über die Präsenzziffer nicht einigen, dann
treten diejenigen Bestimmungen der Verfassung wieder in Kraft,
die durch das, auf Grund der Zusage von Art. 60 gegebene
Gesetz beschränkt sind.. (Deshalb) hat die Verfassung schon,
bevor’°) das Versprechen in Art. 60 entstand, durch den 4. Ab-
satz des Art. 63 das Moderamen gegeben, dass der Kaiser den
Präsenzstand der Contingente des Reichsheeres bestimmen soll.“
In der staatsrechtlichen Literatur wird diese Ansicht ver-
treten von Lasann ?%), Zorn”) und Prazar ”®). Die grosse
Mehrzahl der Schriftsteller erwähnen diese Frage zwar nicht
direct, aus der Art jedoch, in welcher sie Art. 63* interpretiren,
geht hervor, dass sie einer solchen Auffassung nicht günstig sind.
Dj ee
1870, III, $ 5 Art. 63% der Reichsverfassung auf Bayern keine Anwen-
dung findet, so würde ein analoges Recht dem König von Bayern zu-
zusprechen sein. Hier wie anderwärts lassen wir die aus der Besonder-
heit der Rechtsstellung Bayerns sich ergebenden Folgerungen, als für die
uns beschäftigenden Befugnisse des Reichstags unerheblich, ausser
Betracht.
74) Abgedruckt in Hırru's Annalen 1887, S. 155.
'5) Dieses „bevor“ ist unbewiesen und unbeweisbar.
'e) Staatsrecht III, 1, S. 92.
7) Staatsrecht I, S. 322 ff. Zorn bestreitet zwar, dass eine dauernde
Fixirung der Friedenspräsenz im Wege des Art. 63% erfolgen könne, prak-
tisch hebt er diesen Grundsatz jedoch einigermassen wieder auf, wenn er
ausführt: „Ausnahmsweise darf der Kaiser ohne Gesetz.... über die ge-
setzliche Friedenspräsenzziffer hinausgehen dass ein solcher Aus-
nahmefall auch vorläge, wenn kein Gesetz über die Friedenspräsenzstärke zu
Stande käme, ist unzweifelhaft. Das durch Art. 63° dem Kaiser statuirte
Recht käme dann zu praktischer Geltung.“
8) Archiv für Öffentliches Recht 1887, S. 480.