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So namentlich die mehrfach citirten SeypeL, TeuvicHum,
v. Rönne, Rıever, Hıersemenzer, G. Meyer, H. Scnuze.
Preuss ?°?) spricht sich entschieden gegen die Anwendbar-
keit des Art. 63* auf diesen Fall aus.
Wir können uns der namentlich von Lasann verfochtenen
Ansicht nicht anschliessen.
Allerdings ist Art. 63* weder durch das Gesetz vom 9. De-
cember 1871, noch durch den $ 1 des Reichsmilitärgesetzes vom
2. Mai 1874, noch auch durch die Novellen von 1880 und 1887
aufgehoben worden; vielmehr besteht er neben diesen Gesetzen
fort, wie er neben dem Art. 60 von Anfang an bestanden hat.
Aber eben weil er neben dem Art. 60 Gültigkeit hat,
können wir nicht annehmen, dass er mit demselben im Wider-
spruch stehe; denn alle Regeln einer gesunden Interpretation
verbieten die Annahme einer Antinomie zwischen den einzelnen
Bestimmungen eines und desselben Gesetzes, wie dies die Reichs-
verfassung ist. Zwischen Art. 60 und Art. 63* wäre aber ein
unlöslicher Widerspruch vorhanden, wenn es richtig wäre, dass
beide Bestimmungen sich auf denselben Gegenstand bezögen;
denn dann wäre durch die Verfassung dem kaiserlichen Ver-
ordnungsrechte dasselbe überwi®esen, was andererseits der
Reichsgesetzgebung vorbehalten ist. Wollen wir also nicht an-
nehmen, dass eine unlösliche und augenfällige Antinomie in der
Reichsverfassung bestehe, so müssen wir daran festhalten, dass
Art. 60 und Art. 63* verschiedene Materien zu regeln be-
stimmt sind.
Hierauf scheint auch schon die Verschiedenheit der ge-
wählten Bezeichnungen ‚Friedenspräsenzstärke“ und „Präsenz-
stand‘‘ deuten zu sollen.
Wir haben oben gesehen, was unter „Friedenspräsenzstärke“
9%) Friedenspräsenz und Reichsverfassung, $. 86 ff.