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zu verstehen ist; untersuchen wir nun in Folgendem den Inhalt
des kaiserlichen Rechtes auf Bestimmung des „Präsenzstandes“.
J. Wie wir oben ausgeführt, ist die gesetzlich festgestellte
Friedenspräsenzstärke eine Maximalziffer. Für die Militärver-
waltung besteht keinerlei Verpflichtung dem Bundesrathe und
Reichstage gegenüber, das Heer in dieser Höhe thatsächlich
präsent zu halten. Die Effektivstärke wird nun auf Grund von
Art. 63% durch kaiserliche Verordnung bestimmt, und zwar, ab-
gesehen von der Ausnahme des $ 6 Absatz 5 des Wehrgesetzes
vom 9. November 1867 regelmässig „nach Massgabe des Ge-
setzes“ 3°), d. h. bis zur Höhe der gesetzlichen Friedenspräsenz-
stärke.
2. Nicht nur die Gesammteffektivstärke, sondern auch die
Distribution derselben auf die einzelnen Cadres wird durch den
Kaiser normirt 8!). Dieses Recht war vor der durch das Reichs-
militärgesetz erfolgten gesetzlichen Fixirung der Anzahl der
Cadres vollkommen unbeschränkt; doch auch, nachdem diese
Fixirung erfolgt ist, bleibt dieses Recht von Bedeutung. Denn
es besteht keinerlei gesetzliche Nöthigung, dass die Gesammt-
zahl unter die einzelnen Cadres in gleicher Weise vertheilt
werde ®?).
3. Vielfach wird angenommen, dass auch das Recht des
un
80) $ 9 des Wehrgesetzes: „Der Bundesfeldherr bestimmt für jedes
Jahr nach Massgabe des Gesetzes die Zahl der in das stehende Heer und
in die Marine einzustellenden Rekruten.“
61) Im konstituirenden Reichstage des Norddeutschen Bundes (1867)
erläuterte auf eine Anfrage des Abgeordneten Horzmann der Bundescomis-
sar, Generalmajor v. PonsleELskı, den Art. 63° dahin: „Die Bedenken und
Zweifel , die eben angeregt worden sind, erledigen sich wohl einfach da-
durch, dass unter dem Präsenzstand verstanden ist: Der Bundesfeldherr
bestimmt, ob die Bataillone 534 Köpfe, 538 Köpfe oder ob sie 600 Köpfe
unter den verschiedenen Verhältnissen begreifen sollen.“ (Brzoın II, $. 456.)
92) Vergl. die Beispiele bei LaBann, Staatsrecht, Bd. III, I, S. 87,
Anm. 3, und v. LöBeLı, Jahresberichte über Veränderungen und Fortschritte
im Militärwesen 1876, S. 3 ff.