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deshalb nicht mehr öffentlichrechtlich, sondern ein civilrechtlicher
Dienstvertrag?’). So auch bei v. d. Brcke, welcher alsbald
gegen SEUFFERT aufgetreten war, um das Vorhandensein einer all-
gemeinen Öffentlichrechtlichen Pflicht zur Uebernahme von Staats-
ämtern zu leugnen: der Privatdienstvertrag verbleibt ihm wieder
als die einzig mögliche Lösung ??).
Inzwischen ist unsere Auffassung von der Staatsgewalt diesem
System der Hoheitsrechte vollständig entwachsen. Unser Staat
vermag rechtlich schlechthin Alles. Den Schutz der Freiheit
suchen jetzt auch wir anstatt in einer äusserlichen Begrenzung
seiner Gewalt, in einer inneren Zuständigkeitsvertheilung zwischen
der Regierung und dem mit Zustimmung einer Volksvertretung
geäusserten Staatswillen, dem Gesetz, nach jener Idee, welche
unter dem nicht ganz angemessenen Namen der Trennung der
Gewalten ihren Siegeslauf begann und auf welcher alle unsere
Verfassungen gebaut sind.
Dem entsprechend ist jetzt das Wesen des öffentlichen Rechts
sowie seine Abgrenzung vom Civilrecht ganz anders bestimmt.
1. Die Kraft der Staatsgewalt den Bürgern gegenüber ver-
dichtet sich nicht mehr zu einer Summe von einzelnen Befugnissen,
sondern bedeutet ein allgemeines Recht, der höhere massgebende
Wille zu sein, bestimmend für den anderen, besser gesagt: eine
Eigenschaft des Staatswillens von diesem Inhalte. Ihr entspricht
nicht eine Reihe von ausgeprägten Pflichten der Einzelnen, son-
dern ein allgemeines hoheitliches Verhältniss, ein organisches,
ein Subjectionsverhältniss, in welchem sie stehn. 3°) Unsere Wissen-
schaft hat eine Menge verschieden klingender Bezeichnungen für
87) GÖNNER, Der Staatsdienst, $ 32.
98) v, d. BECKE, Von Staatsämtern und Staatsdienern, $ 14.
9%) Ausdrücke von STAHt, Philos. d. Rechts II, 2, S. 616; ScHMreT-
HENNER, Staatsrecht $ 64; PFIzER, Verwaltungs- und Civiljustiz, $ 10. Diese
Anerkennung der allgemeinen höheren Natur des Staatswillens zu ver-
breiten, war vor Allem das Werk der Hegelischen Schule.