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„Die Einführung eines internationalen Eisenbahnfrachtrechts
von Dr. G. Eser !)*
eine Kritik des Schweizer Entwurfs nebst einem aus den Resultaten
derselben hervorgegangenen Gegenentwurfe. Dieser Entwurf stand
sowohl principiell in Betreff der Tragweite des zu treffenden Ueberein-
kommens wie auch des materiellen Inhalts desselben auf einem dem
Schweizer Entwurfe diametral entgegengesetzten Standpunkte.
In der Kritik wird allerdings zunächst in Uebereinstimmung mit
der Petition von SEIGNEUx und CHrist sowie der Denkschrift des Schwei-
zer Entwurfs unter Darlegung des bestehenden Rechtszustandes her-
vorgehoben, dass die Verwirklichung des angeregten Uebereinkommens
zwar grosse Schwierigkeiten, aber keineswegs unüberwindliche Hinder-
nisse biete: Denn, wenn auch das Uebereinkommen ein Eingreifen in
die einzelnen Obligationen- und Handels- (Fracht-) Rechte der contra-
birenden Staaten im Interesse der Einheit nothwendig und unvermeid-
lich erfordere und diese sich der Natur der Sache nach nur durch
Concessionen erreichen lasse, welche die Staaten mehr oder weniger
unter Aufopferung einzelner Principien ihrer Landesrechte machen
müssen, so liege doch ein das Uebereinkommen besonders begünstigen-
der Umstand darin, dass gerade auf dem Gebiete des Frachtrechts
die Grundlagen für eine Annäherung unter den am meisten in Be-
tracht kommenden Staaten bereits durch den bisherigen Rechtszustand
gegeben seien. Fast keiner der europäischen Staaten habe sich dem
mächtigen Einflusse des französischen Handels- und Verkehrsrechts
entziehen können. In Italien, Belgien und Holland sei dasselbe bei-
nahe unverändert recipirt worden. Aber auch das deutsche Handels-
gesetzbuch, das schweizerische und ungarische Handelsrecht beruhen
im Wesentlichen auf den Principien des Code de commerce, so dass
dieser auch für Deutschland, Oesterreich-Ungarn und die Schweiz als
das Mutterrecht anzusehen sei, welchem nur in einzelnen, wenngleich
wesentlichen Punkten abweichende Rechts- und Verkehrsanschauungen
substituirt worden seien. Es seien gewissermassen zwei grosse Gruppen
vorhanden, deren gemeinsame Grundlage die Vorschriften des Code
de commerce über das Frachtgeschäft bilden, von denen die eine aber
1) Dem Verfasser der vorliegenden Abhandlung: s. die Besprechung
dieser Kritik durch Lasann in GoLpscHMipdt's Zeitschr. f. Handels- etc. Recht.
N. F. Bd.7, 8. 590—598 und Mkırı, Internat. Eisenbahnverträge. Hamburg.
1887, 8. 33, 37 ff.