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verwaltungen verschiedener Länder gebildet und den Verkehrsbedürf-
nissen mehrerer grossen Staaten entsprechend organisch fortentwickelt
worden. Eine vieljährige Literatur und Rechtsprechung habe sich
daran angeschlossen, den Ausbau des Eisenbahnfrachtrechts auf dieser
Basis vervollständigt, die wichtigeren Controversen entschieden, alle
wesentlicheren Zweifel im Sinne und Wortlaute der einzelnen Be-
stimmungen durch constante, gleichmässige Auslegung beseitigt. Das
Reglement habe sich — seiner französisch-rechtlichen Grundlage ent-
sprechend — auch in Ländern, in welchen französisches oder gemeines
Recht gelte, durchaus bewährt. Von diesen praktischen, in jeder Be-
ziehung erprobten Principien des deutschen Handelsgesetzbuchs und
Betriebsreglements ohne zwingenden Grund abgehen und an ihre
Stelle im Wesentlichen, nicht etwa den Code de commerce, sondern
das neue Schweizer Transportrecht setzen — wie es der Schweizer
Entwurf unverkennbar bezwecke und empfehle — hiesse also nichts
weiter, als das Resultat langjähriger Erfahrungen aufgeben und zu
Gunsten noch unbewährter Institutionen mit der mühsamen Arbeit
von Neuem beginnen.
Diese auch von anderen Seiten geltend gemachten Erwägungen,
welche gegen den Schweizer Entwurf sprachen, waren für die deutsche
Reichsregierung bestimmend, im Winter 1877—1878 einen selbst-
ständigen Gegenentwurf ausarbeiten zu lassen. Dieser Gegen-
entwurf nimmt zwischen dem Schweizer und dem Eeer’schen Entwurfe
insofern eine vermittelnde Stellung ein, als er sich in Betreff der
Tragweite dem ersteren, dagegen hinsichtlich des materiellen Inhalts
und Systems im Wesentlichen dem letzteren Entwurfe anschloss.
Was die Tragweite anlangte, so trat der deutsche Entwurf
— ohne nähere Begründung — dem Schweizer Entwurfe darin bei,
dass es sich empfehle, das Uebereinkommen zunächst nur auf den
internationalen Verkehr zu beziehen ?), und es der Gesetzgebung jedes
2) Die deutsche Reichsregierung ist späterhin selbst dazu gelangt,
in einem wichtigen Punkte von dieser Ansicht abzugehen und das Princip
des Eerr’schen Entwurfes zu adoptiren (s. unten Anm, 35, $. 316). Nur
dieses Princip kann die einheitliche und organische Fortentwicklung des
Eisenbahnrechts sichern. Die entgegenstehenden Ausführungen v. d. LEYEN’s
in der Zeitschr. f. d. ges. H.R. Bd. 34, $. 302 sind höchst unklar und
widersprechend; sie beweisen gerade das Gegentheil von dem, was
v. D. Leven beweisen will.
Archiv für Öffentliches Recht. II. 2. 3. 25