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4. Zu $$ 15-17: U.W.G.
Der $16 findet nurAnwendung, wenn die Ehefrau bis zur
Trennung der Ehe durch Tod oder Scheidung den Unter-
stützungswohnsitz desEhemannes getheilt hat ($ 15); nicht
auch in den Fällen des $ 17.
Der Knabe Arthur H. fiel am 10. November 1885 in Berlin der
Armenpflege anheim, als seine Mutter gefänglich eingezogen wurde.
Er ist ein Sohn erster Ehe der Letzteren und theilt ihren Unter-
stützungswohnsitz. Die Mutter des H. ist seit Ende Juni 1882 von
ihrem zweiten Ehemann böslich verlassen. Die Ehe ist demnächst
durch Erkenntniss des Landgerichts zu Görlitz geschieden (zugestellt
29. Mai 1883), ohne dass eine Wiedervereinigung der Eheleute bis zur
Rechtskraft des Urtheils (29. Juni 1883) stattgefunden hätte. An
letzterem Tage besass die Ehefrau H. noch den Unterstützungswohn-
sitz in Görlitz, da ihr Ehemann zur Zeit der böslichen Verlassung
daselbst heimathsberechtigt war, und seit Ende Juli 1882, wo die
Ehefrau H. Görlitz verlassen hatte, noch nicht zwei Jahre verflossen
waren. Die Ehefrau H. blieb von Görlitz bis zum 5. Juni 1885 ab-
wesend. Es fragte sich, ob die Ehefrau H. durch ihre Abwesenheit
von Görlitz (Juli 1882 bis Juni 1885) den Unterstützungswohnsitz
daselbst verloren hat; oder ob sie denselben noch am 10. November
1885 besass, weil sie seit der Rechtskraft des Scheidungsurtheils bis
zu ihrer Rückkehr nach Görlitz (5. Juni 1885) nicht volle 2 Jahre
von dort abwesend war.
Der erste Richter hat letzteres angenommen. Er führt aus, dass,
wenngleich eine Wiedervereinigung der H.’schen Eheleute bis zur
Rechtskraft des Scheidungsurtheils nicht stattgefunden habe, eine Zu-
sammenrechnung der Abwesenheitsfristen vor und nach der Rechts-
kraft des Scheidungsurtheils nicht stattfinde, weil mit diesem Tage
die bösliche Verlassung aufgehört habe, das Getrenntleben des Ehe-
mannes ein berechtigtes geworden sei, und die Ehe selbst ihr Ende
erreicht habe, sonach nicht mehr $ 17, sondern $ 16 a. a. O. zur
Anwendung komme.
Das Bundesamt hat in dem Urtheil vom 4. Juni 1887 die
entgegengesetzte Ansicht ausgesprochen und ausgeführt:
„Der $ 16 a. a. O. lässt für sich allein betrachtet allerdings die
Auslegung zu, als ob es lediglich darauf ankomme, welchen Unter-
stützungswohnsitz eine Wittwe oder rechtskräftig geschiedene Ehefrau