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Um einen Gesichtspunkt zu bekommen, der auch die Fälle der
letzteren Art umfasst, bleibt nur übrig, zurückzugehn auf Inhalt
und Gegenstand der staatlichen Thätigkeit. Und das ist denn
auch das Bestreben unserer Wissenschaft, von dieser Seite her
den Ausscheidungsmassstab zu gewinnen. Wir erhalten ver-
schiedene Regeln vorgeschlagen, die alle einen stofflichen Gegen-
satz der dem öffentlichen Rechte angehörigen Staatsthätigkeit
andeuten wollen.
So wird gesagt: privatrechtlich sei der Staat zu behandeln,
„wenn er in privatrechtliche Rechtsverhältnisse eintritt“ #9),
Oder es wird verlangt, dass das Rechtsverhältniss, damit es öffent-
lichrechtlich sei, seinem Inhalt nach „aus dem Staatsverbande sich
ergebe“; wo dieser Zusammenhang fehlt, ist es civilrechtlich *°).
Dann legt man wieder grosses Gewicht auf die Art der In-
teressen, welche in Frage sind: wenn allgemeine „öffentliche
Interessen“ verfolgt werden, so gibt das öffentliche Recht die
Ordnung dafür, wenn Interessen der Einzelnen oder des Staates
handelnd wie ein Privater, so herrscht das Civilrecht 5°). Aber
die den Massstab abgebende Thatsache selbst wieder festzu-
stellen, das führt eben doch immer auf die alte Schwierigkeit
zurück. In ihrem praktischen Kern geben alle diese Regeln
eigentlich nur den einfachen Satz, der gleichfalls in neuerer Zeit
schon ausgesprochen worden ist: der Staat ist dann civilrechtlich
zu behandeln wenn er thut, was auch ein Privater thun könnte °!).
48) SEUFFERT, Kommentar z. bayr. Gerichtsordnung; BRATER in Bl.
f, adm. Praxis V, $. 101; RöÖNNE, Pr. Staatsrecht I, $. 493, 494; THoNn,
Rechtsnorm und subjectives Recht, S. 140.
49) SırwEy, Oeff. R. u. Verwaltungsrechtspflege, $. 449; STENGEL,
Organisat. d. Pr. Verw., S. 36; REGELSBERGER ;in Krit. Vierteljahrsschr.
IV, S. 66.
50%) KLÜBER, Oeffentl. Recht, $ 390; LABAnD, Staatsrecht I, S. 396;
GAREIS, ‘Allg. Staatsrecht, S. 7 ffl., NEUMANN in Hırrm's Annalen 1886,
S. 407 ff.
5) LEUTHOLD in Hırre's Annalen 1884, S. 361, 363, Anm. 2; LABAND
in Arch. f. öff. R. II, S. 155.