— 418 —
auszuweisenden Hülfsbedürftigen entsprechenden Weise geübt wird,
eine Aufgabe, welcher im Geltungsbereiche des U.W.G. das Bundes-
amt für das Heimathwesen in anerkennenswerther Weise gerecht ge-
worden ist ?’). Der hier in interterritorialer Beziehung vorhandene
Mangel eines Gerichtshofes führt dazu, den gegenwärtigen Rechts-
zustand zum Nachtheil des Auszuweisenden zu ignoriren. Die nach
den Erörterungen sub I a. E. bei allen Ausweisungen Hülfsbedürf-
tiger durchgreifende Voraussetzung der dauernden Hülfsbedürftigkeit
wird gegenüber der ursprünglich in der Eisenacher Uebereinkunft
dem Aufenthaltsstaate gegebenen Berechtigung, die Abnahme auf
Grund von Erkrankung hülfsbedürftig Gewordener zu verlangen, so-
bald sie reisefähig sind, in der Praxis übersehen; statt dessen wird
die Ausweisung lediglich auf das dehnbare Kriterium der Transport-
fähigkeit gestellt, mit deren nur von der Seite des Aufenthaltstaates
erfolgter formaler Constatirung nach der Auffassung der Praxis die
Uebernahmepflicht entsteht. In einem bayrischen Commentare heisst
es mit völliger Ignorirung des $ 5 Fr.G.:
„Die Eisenacher Uebereinkunft hat es mit solchen Hülfs-
29) Die in MÜnsTERBERG’S „Die deutsche Armengesetzgebung und das
Material zu ihrer Reform“, $ 191 aus der reichen Praxis des Bundesamts
zum Beweise grosser Härten beliebte Zusammenstellung dreier Ausweisungs-
fälle steht bezüglich der zwei ersten Fälle wenig im Einklang mit der
neuerdings in ScHMoLLER's Jahrbüchern ]. c., $. 360 entwickelten Ansicht
desselben Schriftstellers, dass es für dauernd Hülfsbedürftige gleichgültig
sei, wo sie sich aufhalten. In dem dritten jener Fälle wird völlig über-
sehen, dass es kein unbilliges Verlangen ist, dass eine arbeitsfähige Mutter
ein Kind ernähren soll und dass, sie in der Lage ist, ihrer Ausweisung
vorzubeugen, sobaldfsie dieser Pflicht nach Kräften nachkommt. Derartige
in der Literatur auftauchende Klagen über angebliche Härten der herr-
schenden Grundsätze des Ausweisungsverfahrens entsprechen dem gelten-
den Rechtszustande in Preussen wenigstens durchaus nicht. Es ist bereits
seit den sechziger Jahren preussische Verwaltungspraxis, das Ausweisungs-
verfahren zu sistiren, wenn der Auszuweisende auf weitere Unterstützungen
verzichtet und die dauernde Hülfsbedürftigkeit nicht zweifellos objectiv
feststeht. Ferner ist nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts,
Bd. VII, S. 364 dem Auszuweisenden noch gegen die polizeiliche Aus-
weisungsverfügung eine Klage bei den ordentlichen Verwaltungsgerichten
gegeben. Die thatsächliche Durchführung der Ausweisung hängt also in
der Regel von dem eigenen Verhalten des Auszuweisenden ab.