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es nothwendig macht. Der Grund ist bekannt; nur seine Trag-
weite gilt es festzustellen. Er liegt nicht in einem besonderen
Gesetze, welches vorschriebe, dass Beamte nur mit ihrer Zu-
stimmung ernannt werden können, sondern in einer allgemeineren '
höheren Regel, in einem Verfassungsrechtssatz.
Wenn man so häufig sagen hört: der Staat kann Nieman-
den zum Eintritt in den Staatsdienst zwingen, der Staat bedarf
der freiwilligen Unterwerfung, so ist das ungenau ausgedrückt:
die Staatsgewalt kann Alles. Aber zwischen den obersten Formen,
in welchen ihre Willensäusserung zu Stande kommt, und dadurch
unmittelbar zwischen den Personen, welche in der einen oder in
der anderen wirken, zwischen Gesetz und Regierung besteht ver-
fassungsmässig eine Zuständigkeitsvertheilung. Danach sind ins-
besondere dem Gesetze vorbehalten gewisse Arten von Einwir-
kungen auf die Unterthanen, wie vor Allem Zwang zu Thun und
Lassen. Richtig ist also nur, dass die Regierung regelmässig
solchen Zwang nicht üben kann, weil sie verfassungsmässig dazu
nicht zuständig ist im Verhältnisse zum Gesetze; vom Staat als
Ganzem dagegen kann man nur sagen, dass er, wie seine Ver-
fassung bezeugt, regelmässig in dieser Form, in der Form der
Regierung nicht zwingen will5°).
[Handelt es sich nun darum, dass die Regierung einen Unter-
thanen verpflichten soll zu Dienstleistungen für den Staat, so ist
das unter der Herrschaft jener verfassungsmässigen Zuständigkeits-
regeln nur auf zweierlei Weise möglich: entweder sie muss ein
Gesetz haben, welches sie ermächtigt, zu diesem Zwecke Zwang
zu üben, oder sie muss in die Lage kommen, es thun zu können
ohne Zwang, und in diese Lage setzt sie die freiwillige Unter-
werfung des Betroffenen. Im ersteren Falle entstehen Rechts-
institute wie die Requisitionen und die Bürgerpflichten, im letzteren
die freiwilligen Ehrendienste und der berufsmässige Staatsdienst.
58) Was wir von der Regierung sagen, gilt selbstverständlich auch
von den Behörden, welche ihr Recht von derselben ableiten.