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Darauf folgt in dem dritten Buche eine systematisch geordnete
Zusammenstellung der Reformbestrebungen; eine mit grosser Sorgfalt
und erstaunlicher Beherrschung des Materials durchgeführte und be-
sonders dankenswerthe Arbeit. Die dabei von dem Verfasser be-
währte Objektivität zeigt sich in der gleich liebevollen Wiedergabe der
sich gegenüberstehenden Ansichten. Erst wenn dem Für und Wider
voller Raum gelassen ist, tritt der Verfasser mit seiner Kritik hinzu,
bei welcher überall die eingehende sachliche Begründung, wie die
logische Schärfe der Beurtheilung auch von Andersmeinenden an-
erkannt werden müssen.
Bei der Abfassung seines Werkes hat MünsterBerc das Von
Reitzenstei’sche Buch über die Reform der ländlichen Armen-
pflege nicht mehr ausgiebig benutzen können.
Dasselbe nennt den Freiherrn v. Reitzenstein auf dem Titel zwar
nur als Herausgeber, und der Haupttheil des Buches rührt nicht von
seiner Feder her. Trotzdem darf man ihn als den geistigen Urheber
und den Leiter der durch den Deutschen Verein über den gegen-
wärtigen Zustand der ländlichen Armenpflege veranlassten Unter-
suchung betrachten. Von ihm ist der grundlegende Bericht (Th. I],
S. 51—86) verfasst, von ihm sind unter Mitwirkung des Landes-
directors Freiherrn v. d. GoLrz und des Ministerialraths WIELAND
die Fragen entworfen, welche in den für die einzelnen deutschen
Laandestheile erstatteten Berichten ihre Beantwortung gefunden haben
(Th. 1, S. 101 £,, Th. II, S.3 £); von ihm rühren endlich die Thesen
her, in denen die Vorschläge zur Reform der ländlichen Armenpflege
zusammengefasst und welche im Wesentlichen auf dem Congress des
Vereins für Armenpflege zu Stuttgart in der Sitzung vom 21. Sep-
tember 1886 zur Annahme gelangt sind. (Th. I, S. 103 ff., Anhang
S. 38, 39.) Den Hauptinhalt des v. Reıitzenstein’schen Buches, dessen
speciellen zweiten Theil (344 Seiten) sie ausmachen, bilden jene
Berichte.
Die Berichterstatter sind sämmtlich mit dem Zustande des länd-
lichen Armenwesens und der deutschen Armenpflege überhaupt durch
ihre amtliche Thätigkeit wohlvertraute Männer, Vorstände und Mit-
glieder der Landarmenverwaltungen, höhere Verwaltungsbeamte, Land-
räthe, Bürgermeister und Amtmänner. Die Berichte, 26 an der Zahl,
beschränken sich nicht auf das Gebiet des Unterstützungswohnsitz-
gesetzes, sondern erstrecken sich auch auf Bayern (3 Berichte) und
Elsass-Lothringen.