Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dritter Band. (3)

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Durchführung der Voruntersuchung erlassenen förmlichen, die Ver- 
dachtsmomente hervorhebenden Beschluss über die Versetzung in An- 
klagezustand verlangt, so steht dem wohl nicht nur die von LammascH 
selbst hervorgehobene Schwierigkeit der Verschiedenheit der Process- 
gesetzgebungen, sondern das allgemeine Bedenken entgegen, dass die 
Durchführung der Voruntersuchung nicht selten nur gegenüber dem 
anwesenden Beschuldigten möglich ist. 
Das englisch-amerikanische System führt naturgemäss dahin, die 
Prüfung des Beweismaterials und damit den wichtigsten Theil der 
Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen der Auslieferung ge- 
geben sind, den Gerichten zu überweisen und das bezügliche Ver- 
fahren nach den Grundsätzen des sonstigen gerichtlichen Verfahrens 
— Oeffentlichkeit, Parteienrechte, Instanzenzug — zu gestalten. Da- 
gegen schliesst das früher sogenannte französische, von LammascH als 
das preussische bezeichnete System solche Garantien aus und legt die 
Entscheidung in die Hände des Souveräns oder der obersten Verwal- 
tungsbehörden. In Preussen findet die Prüfung der Angelegenheit 
durch die Provinzial-Verwaltungsbehörde und die Staatsanw altschaft 
statt; vor letzterer erfolgt das dem älteren französischen System an- 
scheinend nicht bekannte Verhör des Verfolgten, die Haft des Letzteren 
gilt nicht als Untersuchungshaft. — Lammasch entscheidet sich prin- 
eipiell für die Uebertragung der Entscheidung an die Gerichte, weil 
dieselbe ein Akt der Rechtspflege sei — eine weitere Consequenz 
der zum ersten Buche besprochenen Grundanschauung des Verfassers 
über das Wesen der Auslieferung, welche übrigens kaum zwingend 
ist, da „Rechtspflege“ auch von anderen Organen als den ordentlichen 
Gerichten, insbesondere von der Justizverwaltung, geübt wird. Der 
weitere Grund, dass die Auslieferung einen nur im Wege gerichtlichen 
Einschreitens zulässigen Eingriff in die Freiheit des Individuums aus- 
mache, dürfte eine petitio principii enthalten, abgesehen davon, dass 
der Zweck der Auslieferung ja gerade dahin geht, den Verfolgten 
seinem natürlichen Richter zuzuführen. Ein gewisses Gewicht hat 
dagegen die praktische Erwägung, dass die bei der Entscheidung zu 
lösenden Fragen solche seien, welche auch sonst in Strafprocessen zur 
Prüfung gelangten, oder Fragen über den Bestand von Rechtssätzen —, 
sofern wenigstens den Verfolgten gewisse Parteienrechte eingeräumt 
werden sollen und ihm die Befugniss eingeräumt werden will, die 
Beweisfrage in bestimmtem Masse anzuregen. Immerhin würden diese 
Gesichtspunkte nur dahin führen, die Gerichte mit der Instruirung
	        
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