Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dritter Band. (3)

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gegenüber der Justizhoheit des requirirenden Staats und 
damit vor Allem den Grundsatz der Specialität der Auslieferung, 
wonach die Verfolgung des Ausgelieferten grundsätzlich auf diejenige 
That beschränkt ist, wegen deren die Auslieferung nachgesucht wurde. 
Frankreich und Grossbritannien halten an diesem Grundsatz unbedingt 
fest, die Verträge des Deutschen Reichs nur insofern, als wegen einer 
andern That, die nicht unter die Auslieferungsdelikte fällt, Bestrafung 
ausgeschlossen ist. Lammasch stellt sich die Frage, ob das in der 
Beschränkung der Auslieferungsverträge und Praxis auf bestimmte 
und nicht politische Delikte, sowie in dem beschränkten Zwecke der 
Auslieferung wohl begründete Princip, vorbehaltlich der besonderen 
Behandlung der politischen Vergehen, nicht zweckmässig allgemein 
aufzugeben wäre, wie dies im einzelnen Falle im Interesse der 
Rechtspflege vielfach geschieht. Er verneint dies jedoch mit Recht, 
weil selbst bezüglich der im Auslieferungsvertrag enthaltenen Delikte 
die häufig so verwickelte und von dem Rechte des Zufluchtsstaates 
mitbestimmte Frage der Zulässigkeit der Auslieferung nur unter der 
Gefahr internationaler Verwicklungen dem einseitigen Urtheil des 
nachsuchenden Staates überlassen werden kann, und der Ausschluss 
der übrigen Delikte durchaus nicht immer auf deren Geringfügigkeit, 
sondern vielfach auf anderen das Interesse des Zufluchtsstaates be- 
rührenden Erwägungen beruht. Die Rücksicht auf die Beschleunigung 
des Verfahrens kann nur dahin führen, das in den Verträgen zu weit 
gefasste Verbot mit Lammasch auf das contradietorische Verfahren, 
die Erhebung der Anklage und die Anordnung der Hauptverhandlung 
zu beschränken, dagegen sonstige Untersuchungshandlungen zuzulassen. 
— Dem ausdrücklichen Wunsche des Ausgelieferten um Ausdeh- 
nung der Verfolgung auf andere Delikte soll nach LammascHh aus 
praktischen Gründen und in der Erwägung entsprochen werden, dass 
derselbe, auch wenn er Inländer sei(?), im Fall der Freisprechung 
wegen des die Auslieferung veranlassenden Delikts sofort ausgewiesen 
werden dürfe; doch soll die Rücksicht auf den ausliefernden Staat 
dadurch gewahrt werden, dass die wegen anderer Handlungen ver- 
hängten Strafen nicht vollzogen, sondern die Thäter nur demnächst 
ausgewiesen würden. Richtiger dürfte es sein, in dieser dem öffent- 
lichen Recht angehörigen Frage und gegenüber der eingegangenen 
internationalen Verpflichtung, welche für die Gerichte Gesetzeskraft 
hat und dem Legalitätsprincip derogirt, dem Willen des Verfolgten 
einen Einfluss überhaupt nicht zu verstatten. — Beifall verdient
	        
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