— 46 —
des öffentlichen Rechtes zu liefern. Sein äusserer Umfang könnte aller-
dings zunächst den Eindruck machen, als wenn es dem ersten Theile
dieses Programmes nicht entspräche. Dies klärt sich aber sofort
auf, wenn man sieht, dass der Verfasser fast die Hälfte des Buches
(bis S. 225) einer zusammenhängenden Geschichte des Kirchen-
rechtes gewidmet hat. Erhalten wir auf diese Weise eine erheb-
liche Erweiterung des Stoffes gegenüber dem, was sonst üblich ist,
so sind wir weit entfernt, darın einen Nachtheil des Buches zu finden.
Im Gegentheil! Rechtsgeschichtliche Anknüpfungen sind ja bei einer
Darstellung des Kirchenrechtes noch viel nothwendiger als bei anderen
Disciplinen; der Studirende aber — an welchen wir hier doch haupt-
sächlich denken müssen — wird leicht ermüdet, wenn solche immer
nur stückweise bei jeder einzelnen Materie gebracht werden. Den
grossen. Gang der äusseren Kirchengeschichte im Zusammenhang ihm
vorzuführen, das weckt von vornherein sein Interesse für die Sache.
Nur so erhält er auch eine lebendige Anschauung von der merk-
würdigen Erscheinung der Kirche, wie sie die Jahrhunderte der
Gegenwart überliefert haben, und von ihrem Verhältniss zum Staate;
und das ist schliesslich doch noch wichtiger als die Kenntniss der
einzelnen termini technici des kanonischen Rechtes.
Der Verfasser hat gerade diesen geschichtlichen Theil mit be-
sonderer Liebe behandelt. Die Hauptmomente der Entwicklung sind
knapp und kräftig gezeichnet. Wir wünschen im Interesse der Aus-
bildung unserer jungen Juristen schon um dieses ersten Theiles willen
dem Buche eine recht grosse Verbreitung. —
Das „geltende Kirchenrecht“ füllt die zweite Hälfte des
Buches: Es. wird in drei Abschnitte zerlegt: Kirchenverfassung, Rechts-
bildung und kirchliche Verwaltung. Unter letzterer Rubrik findet auch
die kirchliche Gerichtsbarkeit ihren Platz. Warum nicht das Gleiche
für die Rechtsbildung gelten soll, will uns nicht einleuchten. All-
gemeine Anordnungen, Dispensationen, Privilegertheilungen erhalten
durch die eingeräumte Sonderstellung den Schein eines unwahren
Gegensatzes zu der gesammten übrigen Thätigkeit des öffentlichrecht-
lichen Rechtssubjektes.
Im evangelischen Kirchenrecht wird bei der Lehre von der
Synodalverfassung die neue Organisation in Preussen allein zur
ausführlichen Darstellung gebracht. Das Herausgreifen eines solchen
wichtigsten Typus hat sicherlich grosse Vorzüge vor dem unerquick-
lichen Aufzählen und Nebeneinanderstellen der Verschiedenheiten.