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Das Eherecht ist am Schluss eigentlich nur pro memoria ein-
gestellt. Der Verfasser ist der Meinung, dass dasselbe künftig am
besten einer besonderen Disciplin zu überweisen sei.
Auch dieser dogmatische Theil ist ausgezeichnet durch über-
sichtliche Anordnung des Stoffes und durch eine klare lebhafte Dar-
stellungsweise. Die zahlreichen Anmerkungen enthalten ein reiches
Literatur- und Gesetzesmaterial.
Was den sachlichen Inhalt betrifft, so wird ein kirchenrechtliches
Lehrbuch immer mehr oder weniger deutlich den Stempel des Partei-
standpunktes seines Verfassers an sich tragen. Das ist auch hier der
Fall. Der Protestant und der Mann, welcher mit innerem Antheil
im nationalen Staatsleben steht, verleugnet sich nicht. Der Staat
und seine Rechte sind ihm überall das Erste. Die Wärme und die
Entschiedenheit, mit welcher er diesen Standpunkt vertritt, verleihen
seinen Ausführungen eine einheitliche kräftige Farbe.
Vielleicht möchte man allerdings den Eindruck haben, dass dar-
über die Eigenart des Kirchenrechtes bei ihm manchmal nicht voll
zur Geltung kommt.
Ein Beispiel bietet die Art, wie der Verfasser sich auseinander-
setzt mit den Ansprüchen der kath. Kirche, das von ihr gesetzte
Recht aufrecht zu erhalten gegenüber widersprechenden staat-
lichen Ordnungen. Die Lösung, die er gibt, ist so durchgreifend
als möglich. Das kirchliche Recht ist in solchem Falle einfach kein
Recht. Seine Grundlage ist der juristische Begriff der Autonomie,
also seine Bildung von vornherein nur möglich in dem Rahmen des
staatlichen Rechtes (S. 422). Denn „das Recht bedarf begrifflich einer
letzten inappellablen Instanz und kann nicht mit der Üonstatirung
eines Gegensatzes abschliessen, ohne dessen Ueberwindung anzugeben“.
Diese aber liegt in der Souveränität des Staates (8. 8).
Das’Wort Autonomie, in welches hier die Lösung gelegt wird, scheint
uns aber zwei verschiedene Arten von rechterzeugender Gewalt zu bezeich-
nen. Entweder ist darunter verstanden die abgeleitete Befugniss eines
im Unterthanenverhältniss stehenden Körpers, so dass dessen Fähig-
keit, Recht zu erzeugen, von vornherein nur besteht durch den Willen
der Gewalt, die über ihm ist, und nur soweit dieser Wille reicht.
Oder das autonome Subjekt hat die Kraft der Rechterzeugung in sich
selbst, ursprünglich, und ist nur in der Ausübung derselben be-
schränkt durch den Willen eines über ihm stehenden souveränen. Bei-
spiele der ersten Art bieten im Kirchenrecht die Domkapitel, im