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öffentlichen Rechtes nicht möglich seien°®). Als Grund gibt man
übereinstimmend an, dass der Vertrag „gleichberechtigte Kontra-
henten, koordinirte Subjecte“ voraussetze. Es ist nichts anderes als
eine Folgerung aus dem das öffentliche Recht beherrschenden Grund-
satze der allgemeinen einseitig bindenden Kraft des Staatswillens,
welche hiermit gezogen wird. Wenn von vornherein überall der
Wille des staatlichen Organes für sich allein fähig ist, das
Rechtsverhältniss zu erzeugen, so kann es immerhin zum Schutze
der Interessen des Einzelnen nothwendig erscheinen, auch dessen
Willen einen Einfluss darauf zu ‚gewähren, Diesen sachlichen
Zwecken wird aber vollauf genügt in der Form, dass die Zu-
ständigkeit jener Organe zur Vornahme des Aktes abhängig ge-
macht wird von Gesuchen und Annahmeerklärungen der Ein-
zelnen. Ein Gesetz, welches überflüssiger Weise die Einwilligung
zu einer förmlichen Mitwirkung an der Erzeugung des Rechts-
verhältnisses im Sinne des Vertrages steigerte, nur um einen
wahren Vertrag zu haben, wäre eine leere juristische Lieb-
haberei °°).
Darum sind wahre Verträge des Staates auf dem Gebiete
des öffentlichen Rechtes überhaupt nicht denkbar.|
?8) GERBER, Ueber öff. Rechte, $. 40; HÄneL, Studien, $. 32 ff.;
G. MEyER, St.-R., S. 410; Derselbe in Hırrm's Annalen 1878, S. 383, 384;
GIERKE in Tüb. Ztschft. XXX, S. 194; SCHULZE, D.St.-R. I, S. 321; ZOoRN,
R. St.-R. I, S. 105; E. MEYER, Staatsverträge, S. 76, 77.
59) Zu einer besonderen Bemerkung gibt nur das Beispiel von Öffent-
lichrechtlichen Verträgen Anlass, auf welches STENGEL (D. V.-R., $. 44)
hinweist: die Verträge, welche seiner Zeit einzelne Staaten mit den ehe-
mals reichsunmittelbaren Herren über ihre rechtliche Stellung abgeschlossen
haben. Die Vertragsnatur dieser Akte kann ebensowenig geläugnet wer-
den wie ihre Zugehörigkeit zum öffentlichen Recht. Dass sie aber Ver-
träge sind, verdanken sie eben nur dem Hereinragen eines Koordinations-
verhältnisses : die rechtliche Stellung dieser Herren war vermöge der Garantie
der deutschen Bundesakte und der Wiener Kongressakte eine völkerrecht-
liche geworden (vgl. RöNNE, II, $. 284 ff., auf welchen auch STENGEL sich
beruft). Nur auf dem Boden des Völkerrechts und des Civilrechts be-
stehen Gleichberechtigung und Vertragsform.