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ist und die Verordnungen für das ganze Heer gelten sollen, so
ist es völlig unverständlich, wie ihre „nächste“ Zweckbestimmung
nur die Gültigkeit für die preussischen Truppen sein könne; sie
könnten nicht einen näheren und einen entfernteren Zweck, son-
dern nur einen, alle Oontingente zugleich betreffenden Zweck
haben. Sodann aber muss BROCKHAUS auch hier selbst constatiren,
dass seine Theorie mit der thatsächlich bestehenden Rechtsübung
in Conflict steht. Wäre seine Theorie richtig, so wäre, soweit
diese Anordnungen der ÜUontrasignatur überhaupt bedürfen, die
Contrasignatur durch den Reichskanzler eine verfassungsrechtliche
Nothwendigkeit, die Contrasignatur durch die Kriegsminister ein
staatsrechtlich nichtiger Act. Der Hinweis auf die rechtliche
Unvollkommenheit der Verantwortlichkeit des Reichskanzlers kann
diese Verletzung der Reichsverfassung nicht als „erträglich“
erscheinen lassen; mit diesem Argument könnte man die Gegen-
zeichnung des Reichskanzlers bei allen Anordnungen des Kaisers
für überflüssig erklären. Dass der Reichskanzler die Contra-
signatur dieser Anordnungen, soweit sie nicht den Etat berühren,
niemals beansprucht hat, dass die Kriegsminister aller in Betracht
kommenden Einzelstaaten die Contrasignatur stets vollzogen haben,
dass die Landesherren sie mit dieser Contrasignatur sanctionirt
haben, dass überhaupt ihre Gültigkeit in der Praxis niemals be-
zweifelt worden ist, dies Alles beweist, dass alle massgebenden
Factoren darüber einig sind, dass diese Anordnungen Regierungs-
acte der Contingentsherren sind. Wenn auch die Verant-
wortlichkeit, welche durch die Contrasignatur übernommen wird,
eine nur nominelle ist, so ist doch das Recht des Ministers zur
Contrasignatur politische Macht desselben und identisch mit
seiner Zuständigkeit. Der Reichskanzler ist daher gewiss nicht
geneigt, auf seine Contrasignatur, wo ihm dieselbe zusteht, zu
verzichten. In der That werden auch militärische Anordnungen,
welche die Contingentsherrlichkeit und zugleich die Etats be-
rühren, doppelt contrasignirt, für die Finanzverwaltung vom
Reichskanzler, für die Kommandobehörden vom Kriegsminister.
Sehr zahlreiche reglementarische Anordnungen ergehen
übrigens in.der Form des Ministerial-Erlasses und zwar niemals als
Erlasse des Reichskanzlers, sondern stets als Erlasse des Königl.