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Das Wehrgesetz $ 4 sagt: „Heer und Flotte sind die Bil-
dungsschulen der ganzen Nation für den Krieg.“ Die Charakte-
risirung der einzelnen Truppenkörper als Schulen für die mili-
tärische Ausbildung ist eine ungemein zutreffende, allgemein als
richtig anerkannte, auch von den Vertretern der hier bekämpften
Theorie oft und gern verwerthete. Die Wehrpflicht im Frieden
ist in der That eine militärische Schulpflicht, sie hat gar keinen
andern Zweck, als die Erwerbung militärischer Ausbildung, Er-
werb der Kriegstüchtigkeit. Es ist daher wohl zulässig, diese
Schulpflicht der Wehrfähigen mit der Schulpflicht der Kinder zu
vergleichen. Die letztere besteht überall in Deutschland und zwar
überall auf Grund von Landesgesetzen, sie beruht nicht auf einem
Reichsgesetz ; sie ist daher zweifellos eine Pflicht gegen den Staat,
dem die Eltern schulpflichtiger Kinder oder die letzteren ange-
hören ®); es ist die Annahme vollkommen unmöglich, dass sie auf
der Reichsangehörigkeit beruht und dem Reich gegenüber besteht.
Und doch! Kann etwa diese Schulpflicht nur im Heimathsstaate
erfüllt werden? Ist es nicht genügend, wenn die Kinder nur
überhaupt denjenigen Unterricht empfangen, den der Staat ver-
langt? Wird nicht auch die Schulpflicht regelmässig am dauernden
Aufenthaltsort erfüllt, auch wenn derselbe ausserhalb des Heimatlıs-
staates liegt? Wenn also ein Preusse seinen Sohn eine Schule in
Leipzig besuchen lässt, so erfüllt er dadurch seine staatsbürger-
liche Unterthanenpflicht gegen Preussen, trotzdem die Schule
keine preussische ist. Wer wird hier die Argumentation wagen:
da er die Schulpflicht gegen Sachsen nicht hat und in Preussen
sie nicht erfüllt, so könne sie auch keine Pflicht gegen Preussen,
sondern nur eine Pflicht gegen das Reich sein?
Alle Truppenkörper des ganzen Deutschen Reiches sind
gleichmässig eingerichtete, gleich taugliche und gleichmässig aner-
S. 344 ff. SCHULZE, IT S. 266 fg. Dagegen sagt Zorn, Staatsr. I 316, dass das
concrete Dienstverhältniss formell gegenüber dem Contingentsherrn, mate-
riell gegenüber dem Kaiser und dem Reich besteht. Die formelle Aus-
prägung ist eben die Rechtsform, die juristisch in Betracht kommende
Gestaltung.
8) Die Schulpflicht besteht für die Staatsangehörigen, nur aus-
nahmsweise (in Bayern und Lothringen) für alle im Staatsgebiet sich auf-
haltenden Kinder. Lönme, Verwaltungsr. S. 749.