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der Treue, zu welcher jeder Unterthan gegen seinen Landesherrn
auch während der Ableistung seiner Militärpflicht verbunden
bleibt; der Eid enthalte die Zusicherung der militärischen Treu-
pflicht gegen den Kaiser, daneben (!) aber die eidliche Be-
kräftigung der fortdauernden Unterthanenpflichten gegen den
Landesherrn; die eidliche Zusicherung der Unterthanentreue sei
nach der Errichtung des Reiches das einzig zulässige Ver-
sprechen geblieben, welches der in das Heer eintretende Staats-
angehörige seinem Landesherrn leisten kann. Der Fahneneid habe
keine wirkliche militärische Bedeutung mehr für die Contingents-
herren, sondern er bekräftige die Fortdauer eines rechtlichen und
sittlichen Verhältnisses der Landesangehörigen zu ihrem Staats-
oberhaupt. Soweit der Fahneneid einen militärischen Inhalt habe,
werde er nur dem Kaiser geschworen, obwohl ihn die Contin-
gentsherren entgegennehmen; bei Abnahme des Fahneneides
fungiren dieselben als die verfassungsmässig berufenen Stellver-
treter des Kaisers. An seiner Statt fordern und empfangen sie
den Eid.“ — Es ist nicht möglich sich einen grösseren Wider-
spruch zu denken als denjenigen, welcher zwischen diesen Be-
hauptungen einerseits und den Bestimmungen der Reichsver-
fassung, dem Wortlaut des Fahneneides und den thatsächlichen
Verhältnissen andererseits besteht.
In dem Fahneneid verspricht der Unterthan seinem Landes-
herrn „als Soldat treu zu dienen“, also Dienste und zwar ganz
ausdrücklich Soldatendienste; nach BROCKHAUS soll der Eid
bloss die Fortdauer der Unterthanenpflichten bekräftigen, etwas
ganz Selbstverständliches und Ueberflüssiges enthalten, wovon der
Wortlaut Nichts sagt. In dem Fahneneid steht das Versprechen,
dem Landesherrn Soldatendienste zu leisten an erster Stelle und
das Gehorsamsgelübde gegen den. Kaiser ist — ganz der Ver-
fassung Art. 64 entsprechend — „in den Fahneneid aufgenom-
men“; nach BROCKHAUS soll das Versprechen, den Befehlen des
Kaisers gehorsam zu sein, den einzigen militärischen
Inhalt des Eides bilden und daneben dem Landesherrn die
Unterthanentreue „bekräftigt“ werden. In dem Fahneneid wird
der Soldatendienst ausdrücklich dem Landesherrn ver-
sprochen; nach BROCKHAUS soll der Kaiser der Promissar sein.
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