Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dritter Band. (3)

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Nach BrocknHAUs soll der Landesherr den Eid als Stellvertreter 
des Kaisers entgegennehmen; in Wirklichkeit findet die Ver- 
eidigung ausnahmslos durch Officiere statt, welche nach den 
eigenen Ausführungen von BROCKHAUS 8. 61 nur im Auftrage 
des Kaisers handeln und alle militärischen Amtsbefugnisse vom 
Kaiser ableiten, so dass man — wenn diese letztere Annahme 
richtig wäre, was sie freilich nicht ist — doch vielmehr annehmen 
müsste, dass der Kaiser den Eid in Stellvertretung des Landes- 
herrn entgegennehme. Nach der Reichsverfassung leisten die vom 
Kaiser ernannten ÖOfficiere und nur diese den Fahneneid dem 
Kaiser. Welchen Sinn hätte diese besondere und ausnahmsweise 
Bestimmung, wenn alle Öfficiere und Soldaten den militärischen 
Diensteid dem Kaiser leisten, dem Landesherrn dagegen nur die 
Unterthanentreue bekräftigen ? 
BROCKHAUS verhehlt sich auch nicht, dass seine Behauptung 
mit der Reichsverfassung im Widerspruch steht. Er bemerkt S. 89 
ausdrücklich, dass die Reichsverfassung nicht einen neuen Fahnen- 
eid schaffen, sondern den Fahneneid festhalten wollte, welchen 
die Landestruppen dem Landesherrn zu leisten hatten, als dieser 
noch der souveräne Befehlshaber seiner Truppen war; er erklärt 
es S. 120 auch für gewiss, „dass der Fahneneid nach der 
Absicht der Reichsverfassung nicht zugleich der Unter- 
thaneneid der militärpflichtigen Angehörigen des Contingents- 
staates sein sollte.* Aber dies thut Nichts. Aus der von 
ihm entwickelten Theorie ergiebt sich ja, „dass er trotzdem 
Nichts Anderes sein könne und nichts anderes sein dürfe.“ 
Auf Wortlaut und Absicht der Verfassung kann Nichts an- 
kommen; nicht die Theorie ist unrichtig, sondern die Verfassungs- 
bestimmungen sind verfehlt; staatsrechtliche Untersuchungen 
brauchen sich ja nicht so eng wie civilrechtliche an die Gesetze 
zu binden; nicht darauf kommt es an, was sie enthalten, sondern 
darauf, was sie hätten enthalten sollen und dürfen! Wann wird 
endlich die Zeit kommen, in der man auch auf dem Gebiet des 
Staatsrechts den Unterschied zwischen Untersuchungen de lege 
lata und Erörterungen de lege ferenda festhalten wird! 
Um diese kritischen Erörterungen nicht zu weit auszudehnen, 
obwohl noch zahlreiche irrige Behauptungen widerlegt zu werden
	        
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