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nahmen erheben muss, welche im Etat bezeichnet sind; sie sagen
nicht, dass Ausgaben, welche nicht im Etat vorgesehen sind, bei
Vermeidung der Wiedereinziehung, nicht geleistet werden dürfen;
sie schreiben nicht vor, dass die Schuldner des Staates verpflichtet
sind, die als Einnahmen bezeichneten Beträge an die Staatskasse
abzuführen, dass z. B. Verfrachter und Befahrer einer fiskalischen
Eisenbahn zusammen den im Etat als Einnahme dieser Bahn
bezeichneten Betrag in seiner ausgeworfenen Höhe, nicht darüber
und nicht darunter, zu bezahlen haben; sie verordnen endlich nicht,
dass die Gläubiger des Staates für dem Fiskus gelieferte Waaren
und Arbeiten nur dann eine Forderung haben, wenn und soweit
für dieselben Beträge im Etat ausgesetzt sind. Weder aus Artikel
69 der deutschen Reichs-, noch aus Artikel 99 der preussischen
Verfassung lässt sich herauslesen, dass für das Verhältniss des
Staates zu seinen Gläubigern und Schuldnern der Etat entscheidend
sein soll, dergestalt, dass der Staat nach Massgabe und Höhe und
nur nach Massgabe und Höhe des Etats verpflichtet und berech-
tigt ist, oder dass, wenn ein Etat nicht zu Stande kömmt, An-
sprüche für und wider den Fiskus nicht entstehen oder jeden-
falls nicht beigetrieben werden können, dass mit anderen
Worten der Fiskus in solchem Falle unentgeltlich leisten und_
empfangen soll.
Artikel 69 und 99 machen auch keinen Unterschied in Bezug
auf gesetzlich vorgeschriebene oder andere Einnahmen und
Ausgaben; sie befehlen insbesondere nicht, dass der Etat in Bezug
auf nicht gesetzlich vorgeschriebene Einnahmen und Ausgaben —
und nur in Bezug auf diese — bindend sein soll, dass anders
ausgedrückt, Ausgaben, welche nicht auf Gesetzen beruhen, nur
im Fall, dass sie in den Etat eingestellt sind, bei Vermeidung der
Rückzahlung von Seiten der Empfänger, geleistet werden dürfen.
Die jährliche Aufstellung eines Staatshaushaltsetats ist viel
älter als die konstitutionelle Verfassung; sie hat in Preussen schon
unter König Friedrich Wilhelm I. stattgefunden. Hier bestand
seit 1714 eine Abrechnungskammer, bei der Gründung (am
2. Oktober 1714) „General-Rechen-Kammer“ genamnt?). De
®) HertEL, Die preussische Ober-Rechnungskammer, Berlin 1884,
S. 9 ff.
Archiv für öffentliches Recht. III. 4. 35