Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dritter Band. (3)

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ist aber kein anderer geworden; er ist nach wie vor 
nur Gesetz für die Behörden des Staates, nicht 
Gesetz für die Unterthanen, weil er für diese nicht 
Gesetz sein will, nicht Gesetz sein soll. Die Minister und 
die übrigen Behörden müssen den Etat befolgen; sie müssen 
sich mit ihren Ausgaben innerhalb desselben bewegen; dieser 
Satz ist zwar nicht ausdrücklich in der Verfassung ausgesprochen; 
doch folgt er aus dem älteren Rechte (u. A. Verordnung vom 
27. Oktober 1810) welches die Verfassung nicht abgeändert hat. 
Die Rechtsverhältnisse des Staates zu seinen Gläubigern und 
Schuldnern regelt das Etatsgesetz nach der Verfassung so wenig 
wie vor derselben !?). 
Wollte die Verfassungs-Urkunde in Abänderung des bis- 
herigen Rechtszustandes bestimmen, dass Einnahmen und 
Ausgaben über, ausser oder gegen den Etat nichtig sein sollten, 
so hätte sie dies ausdrücklich thun müssen. Sie hat dies 
nicht gethan, auch nicht thun können, weil Etatsüberschreitungen 
gar nicht zu vermeiden sind, indem z. B. häufig Ausgaben ge- 
leistet werden müssen, zu denen der Staat wider Erwarten und 
Willen der Behörden durch die Gerichte verurtheilt werden kann. 
Die Verfassungs-Urkunde schreibt in Artikel 48 vor, dass gewisse 
Staatsverträge „zu ihrer Gültigkeit“ der Zustimmung der 
Kammer bedürfen; sie enthält indess keine Vorschrift, dass 
Rechtsgeschäfte, wenn und soweit sie Etatsüberschreitungen zur 
Folge haben, zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung des Landtages 
bedürfen. Sie legt in Artikel 104 der Staatsregierung die Ver- 
pflichtung auf, für jede Etatsüberschreitung die nachträgliche 
Grenehmigung des Landtages nachzusuchen ; sie fügt indess nicht 
1) GinEist, Gesetz und Budget, Berlin 1879, a, a. O. S. 162, hebt den 
Zusammenhang mit dem vorkonstitutionellen Rechte treffend hervor, ohne 
indess letzteres zu entwickeln. Eine Ausführungsnorm, wie GnEIsT behauptet, 
ist der Etat aber wohl weder früher noch jetzt gewesen. Aus dem von 
Gneist aufgestellten, im Allgemeinen richtigem Satze, dass völker-, staats- 
und privatrechtliche Verpflichtungen des Staates durch Etatsbeschlüsse nicht 
verändert werden, folgt nicht, dass gerade die am Ruder befindliche 
Regierung diese Verpflichtungen erfüllen, noch dass diese Regierung Ver- 
pflichtungen für den Staat eingehen darf und in specie nicht, dass der Land- 
tag im Jahre 1878 ein neues Ministergehalt bewilligen musste.
	        
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