Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dritter Band. (3)

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Mit diesem Satze deckt sich die staatsrechtliche Praxis. Ver- 
äusserungsanträge auch über Theile des Finanzvermögens wurden 
und werden nach Erlass der Verfassungs-Urkunde in unzähligen 
Fällen, ja nahezu täglich vorgenommen ohne Zustimmung des 
Landtages. Niemals haben die Gerichte, denen doch die Ent- 
scheidung über die Rechtsgültigkeit der Verträge zusteht, solche 
Verträge für „null und nichtig“ erklärt, als wofür sie die Theorie 
erachtet 1%). Auch der Landtag hat Solches nicht gethan, obwohl 
ihm nicht entgehen konnte, wie zahlreiche Verträge dieser Art 
(Ankäufe von Grundstücken zu bergbaulichen und Eisenbahn- 
zwecken, Verkauf der für diese Zwecke entbehrlich gewordenen 
Grundstücke, Ankäufe von Grundstücken, welche durch den fıs- 
kalischen Bergbau beschädigt sind, Wiederkäufe derselben, Ver- 
träge des Bergfiskus mit Eisenbahngesellschaften, Bauunternehmern, 
Verzichtleistung auf Rechte aus solchen Verträgen) abgeschlossen 
sind. Als im Jahre 1865 die Staatsregierung ihre Rechte auf 
Ankauf der Köln-Mindener-Eisenbahnaktien zum Parikurse gegen 
Empfangnahme von 13 Millionen Thalern aufgab, beauftragte das 
Abgeordnetenhaus auf Antrag Lasker’s eine Kommission mit 
Prüfung der Angelegenheit. Die Kommission beantragte, den 
Vertrag der Staatsregierung mit der Köln-Mindener-Eisenbahn- 
Gesellschaft für ungültig zu erklären '°). Die Begründung dieses 
. Antrages kann nicht als gelungen angesehen werden. Der Bericht 
behauptet als festen und verfassungsmässigen Grundsatz schon 
des absoluten Staates Preussen die Unveräusserlichkeit des Staats- 
vermögens ohne Zustimmung der Stände. Allerdings war diese 
1549 und 1655 den Ständen der Mark zugesichert worden; allein 
damit waren doch einmal nur die Staatsdomänen «(nicht anderes 
Staatseigenthum, auch nicht Anrechte auf Aktienbezug) gemeint 
und sodann waren die Rechte der Stände seit König Friedrich 
Wilhelm I. gebrochen und obsolet geworden. Es ist richtig, 
dass später, wie der Bericht‘ hervorhebt, die Monarchen sich 
selbst „das strenge Gesetz der Unveräusserlichkeit“ in Bezug auf 
die Domänen durch Hausgesetz vom 13. August 1713 auferlegten; 
18) 7, B. Ernst MEIER, Staatsverträge S. 58. 
18) Bericht (von LAskER gefertigt) vom 1. Februar 1866 in den Stenogr. 
Ber. des Abgeordn.-Hauses 1866 Anl, I S. 162 fl. 
Archiv für Öffentliches Recht. IH. 4. 36
	        
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