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verweigerungsrecht ist dem Liandtage geblieben’), nicht in dem
Sinne, dass die Verweigerung der Ausgaben deren Nichtleistung
an sich zur Folge haben, noch in dem Sinne, dass diese Ver-
weigerung im Stande sein sollte, die rechtlich bestehenden Ver-
pflichtungen des Staates aufzuheben ®?), wohl aber in dem Sinne,
dass das am Ruder befindliche Ministerium sie nicht sollte leisten
dürfen.
In Belgien und Frankreich würde die Verweigerung der
Ausgaben die Auflösung der Kammer oder den Rücktritt der
Minister zur Folge haben, in Preussen bedeutet sie, beim Fehlen
eines Ministerverantwortlichkeitsgesetzes nur, dass das Ministerium
wegen aller Ausgaben der Indemnität bedarf. Das Recht der
Verweigerung aller Ausgaben, im Jahre 1849 als mindergefähr-
liche Waffe denn das Recht der Steuerverweigerung, aber immer-
hin in Verbindung mit dem in Aussicht gestellten Ministerver-
antwortlichkeitsgesetze noch als furchtbare und letzte Waffe der
Volksvertretung gegenüber einem volksfeindlichen Ministerium
geplant und zugestanden, hat durch das Nichtzustandekommen
des Ministerverantwortlichkeitsgesetzes im Wesentlichen diesen
Charakter verloren. Die Verweigerung oder die unterlassene
Bewilligung des gesammten Ausgabebudgets würde heute praktisch
kaum eine andere Bedeutung haben als einer politischen De-
monstration, deren Vornahme für den Landtag den grossen
s1) Vgl. die Denkschrift P. REIcHENSPERGER’s in den Anl. des Ab-
geordn.-Hauses 1866 S. 33 ff. Selbst der Minister von MAnTEUFFEL erkannte
am 17. Oktober 1849 in der ersten Kammer das Recht des Landtages der
Etatsfestsetzung an, sprach indess die Erwartung, dass es in einer verstän-
digen Weise — „wie sie überhaupt bei solchen Dingen Platz greift“ — aus-
geübt werde.
®2) In dem angegebenen Sinne sind auch die Worte des Abgeordneten
v. Bismarck vom 24. September 1849 auszulegen: „Der Art. 108 (jetzt 109)
enthält den natürlichen Grundsatz, dass jedes Gesetz solange fortbesteht, bis
es durch ein neues aufgehoben ist. Es würde diese Bedeutung auch noch
behalten, wenn man den Kopf, der sich auf die Steuern speziell bezieht,
streichen wollte. Es würde feststehen bleiben, dass die Gesetze, welche die
Einnahmen des Staates und, wie ich besonders hervorhebe, die Ausgaben
vorschreiben, dass die Etats, welche einen integrirenden Bestandtheil der
Gesetz-Sammlung bilden, fortbestehen, bis sie durch ein neues Gresetz — auf-
gehoben werden.“