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tragen“, liegt kein unlösbarer Widerspruch. Analogien finden
sich häufig im Privatrechte wie im Öffentlichen Rechte.
1. A besitzt und präsentirt unbeschränkte General- und
Specialvollmacht und schliesst auf Grund derselben mit B ein
Rechtsgeschäft ab, obwohl ihm sein Vollmachtgeber die Vor-
nahme dieses Geschäfts (zwar nicht in der Vollmachtsurkunde
aber sonst) untersagt hat. Hier muss der Vollmachtgeber das
Geschäft gelten lassen, falls nicht B um die Untersagung gewusst
hat, doli particeps war.
2. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft muss u. A. die
Beschlüsse der Generalversammlung befolgen. Unterlässt er dies,
so ist gleichwohl ein unter Nichtbefolgung derselben abgeschlossenes
Rechtsgeschäft für die Aktiengesellschaft verbindlich, Handels-
gesetzbuch Art. 231. Wenn E. MEIER®®) zur Erklärung dieser
unbeschränkten Vertretungsbefugniss des Vorstandes einer Aktien-
gesellschaft geltend macht, dass die Aktiengesellschaft auf der
limitirten Haft beschränkter Einlagen beruhe, und dass diese
Gesellschaft in ihrer inneren Organisation keineswegs diejenige
Betheiligung der Aktionäre an der Geschäftsführung zeige, welche
man an sich voraussetzen sollte, so dürften nach meiner Ansicht
diese Umstände noch mehr für Stadtgemeinden und den Staat
zutrefien. Denn das vermögensrechliche Interesse des einzelnen
Steuerzahlers an der Stadt und am Staate ist, da er Stadt und
Staat verlassen kann, rechtlich und, abgesehen hiervon, that-
sächlich geringer als dasjenige des Aktionärs an der Aktiengesell-
schaft. Ebenso möchte ich nicht mit MEIER behaupten, dass im
Durchschnitt die Sorge der Bürger um Stadt und Staat grösser
ist als diejenige der Aktionäre um die Aktiengesellschaft.
3. Der Prokurist muss dem Prinzipal gehorchen. Ist er
ungehorsam, so sind doch die von ihm Namens seines Prinzipals
abgeschlossenen Rechtsgeschäfte für diesen rechtsverbindlich (Han-
delsgesetzbuch Artikel 43).
4. Der offene Handelsgesellschafter muss den Inhalt des
Gresellschaftsvertrages beobachten. Unterlässt er dies, so sind
doch die von ihm in Verletzung des Vertrages abgeschlossenen
98) Staatsverträge S. 42 fl.