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theil für die Verwaltungsorgane die rechtliche Möglichkeit, unter
bestimmten Voraussetzungen und mit Beobachtung bestimmter
Formen rechtlich geschützte (ideelle oder materielle) Güter der
Einzelnen zu schmälern oder zu entziehen?®).
Vom Standpunkte dieser Auffassung lösen sich alle Bedenken,
zu welchen die Eingangs erörterte Auffassung in Rücksicht der
sog. Freiheitsrechte Anlass gab.
Man sieht sich nicht mehr jener Unfassbarkeit des rechtlich
geschützten Gutes gegenübergestellt, von welcher oben gesprochen
wurde. Das rechtlich geschützte Gut (mag dabei die Willens-
freiheit oder das individuelle Interesse betont werden) empfängt
seinen Umfang lediglich durch den das subjective Recht aner-
kennenden Rechtssatz, und wird durch keinen der die Ermäch-
tigungen der Verwaltung enthaltenden Rechtssätze tangirt; es
besteht ungeschmälert fort, bis im concreten Falle die Behörde
von der Ermächtigung, in die Sphäre des subjectiven Rechtes
einzugreifen und damit das Rechtsgut zu schmälern, Gebrauch
macht, ähnlich, wie das Eigenthumsrecht ungeachtet der gesetz-
lichen Ermächtigung zur Expropriation oder der gesetzlichen
Vorschriften über die Steuerpflicht u. dgl. ungeschmälert fort-
2) Es wurde bereits auf eine Aeusserung Bänr’s hingewiesen, mit
welcher die oben vertretene Anschauung vollkommen vereinbar wäre. (Ge-
meint sind die Worte Bänr’s: „Jede Genossenschaft hat das Recht, in ge-
wissem Masse in die Rechtssphäre ihrer Angehörigen einzugreifen. Soweit
ihr Recht dazusteht, muss ihr das gegenüber stehende individuelle Recht
weichen.“ So verstehe auch ich das Verhältniss. Bäur fügt aber freilich
sofort hinzu: „Ueberschreitet sie dagegen jenes Mass, so wird dadurch das
individuelle Recht verletzt.“ Damit ist also doch wieder der Auffassung
Raum gegeben, dass das individuelle Recht selbst durch die Vollmachten
der Verwaltung abgegrenzt ist, dass es also gesetzmässige Eingriffe in die
Sphäre des subjectiven Rechtes (Privatrechte immer ausgenommen) nicht
gibt. Es muss freilich gleich hier bemerkt werden, dass von einer Ver-
letzung des Freiheitsrechtes durch einen gesetzmässigen Verwaltungsact
allerdings nicht wohl zu sprechen ist, da das Recht, welches der Einzelne
der Verwaltung gegenüber hat, wie weiter unten zu zeigen sein wird, un-
geachtet aller Eingriffe in die Sphäre des Individuums immer ungeschmälert
fortbesteht. Dagegen kann allerdings das durch dieses subjective Recht
geschützte Gut des Einzelnen durch einen vollständig gesetzmässigen Act der
Verwaltung geschmälert werden,